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Der Rosetta-Stein im Britischen Museum.

© IMAGO/SOPA Images/IMAGO/John Wreford / SOPA Images

Heute vor 201 Jahren: Die Geburtsstunde der modernen Ägyptologie 

Augen, Vögel und andere Symbole – lange Zeit blieb die Bedeutung der bildhaften Hieroglyphenschrift verborgen. Das änderte sich, als der Stein von Rosetta vor 201 Jahren entschlüsselt wurde.

Eine Kolumne von Leonie Fischer

Was haben ein Sprachprogramm, eine Weltraummission und eine Künstliche Intelligenz, die Proteinstrukturen vorhersagt und 2021 zum „Durchbruch in der Wissenschaft“ gekürt wurde, gemeinsam? Den Namen natürlich! Sie alle heißen in unterschiedlicher Abwandlung „Rosetta“.

Die erste bekannte „Rosetta“ ist aber viel unscheinbarer: ein Stein aus dem Nildelta in Ägypten. Das mag weniger spektakulär klingen als ein Sprachprogramm, eine Weltraummission oder gar eine KI-Methode, aber der Stein von Rosetta ist nicht zu unterschätzen. Er offenbarte die Bedeutung der ägyptischen Hieroglyphenschrift.

1799 entdeckten französische Soldaten die Steintafel während einer Expedition von Napoleon in Ägypten. Das granitartige Bruchstück, etwa 112 Zentimeter hoch und 75 breit, enthielt dreimal den gleichen langen Text. Aber in drei unterschiedlichen Übersetzungen: ägyptische Hieroglyphen, altägyptisches Demotisch und das bekannte Altgriechisch.

Den Franzosen wurde schnell bewusst, dass sie es mithilfe der Übersetzungen schaffen könnten, die ägyptischen Hieroglyphen zu entschlüsseln – hätten sie den wertvollen Übersetzungsschlüssel nicht an die Briten verloren. So war der Brite Thomas Young der Erste, der die Pluralbildung, die Phonetik und sogar einzelne Zeichen entschlüsseln konnte. Er scheiterte jedoch an der komplexen Grammatik, die sich hinter den Schriften verbarg.  

So dauerte es noch insgesamt über zwei Jahrzehnte nach der Entdeckung des Steins, bis es am 27. September 1822, also heute vor 201 Jahren, dem Sprachwissenschaftler Jean-François Champollion gelang, die ägyptische Hieroglyphenschrift mithilfe des Steins von Rosetta zu entschlüsseln. Damit öffnete Champollion dank des Steins von Rosetta die Türen in das Alte Ägypten – die Geburtsstunde der modernen Ägyptologie. 

Vielleicht inspirierte diese Geschichte die Forscher an der Universität Washington, als sie ihren „Propheten der Proteine“ enthüllten: Ihr KI-Tool „Rosettafold“ ist auch eine „Übersetzungshilfe“ – und zwar für Proteine. Proteine sind erst Ketten von Aminosäuren, bis sie sich zu einer 3D-Struktur falten.

Das Tool kann diese Struktur anhand der Kette vorhersagen. Wissen, das wichtig ist, denn so lässt sich verstehen, weshalb falsch gefaltete Proteine krank machen oder wie Proteine im Medikament aufgebaut werden müssen, um im Körper zu wirken. Als KI öffnet Rosetta den Blick in die Zukunft.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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