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Experiment soziale Medien

© Montage: Tagesspiegel | freepik (2)

Tagesspiegel Plus

Hirnforscherin über soziale Medien: „Das größte Experiment der Menschheitsgeschichte“

Bei Menschen, die intensiv soziale Medien nutzen, könnte sich das Gehirn verändern – ähnlich wie bei ADHS, sagt Frederike Petzschner. Welche Folgen das für uns hat und wie Tiktok das für sich nutzt

Frau Petzschner, Sie haben an dem Bericht „Social Media als Verhaltenssucht. Wie Algorithmen süchtig machen und die Gehirnentwicklung beeinflussen“ mitgearbeitet. Darin schreiben Sie, dass die Nutzung sozialer Medien „das größte Experiment der Menschheitsgeschichte“ sei. Malen Sie da nicht den Teufel an die Wand?
Tiktok hatte 2021 über eine Milliarde Nutzer. Das sind fast 14 Prozent der Weltbevölkerung. Ein Algorithmus, der darauf trainiert wird, dass die Aufmerksamkeit von einer Milliarde Menschen verändert wird – dafür gibt es keinen Präzedenzfall und die Folgen sind bisher nicht absehbar.

Was machen die Nervenzellen im Hirn, wenn ich auf Instagram, Tiktok oder Facebook ein Bild oder Video sehe, das mir gefällt?
Wir wissen nicht exakt, was jede Nervenzelle macht, sondern eher welche Hirnareale über die Zeit aktiviert sind: Hirnscans zeigen, dass es unter anderem eine erhöhte Aktivität im Striatum gibt. Das ist ein Bereich im Gehirn, der oft als Teil des Motivations- und Lernsystems angesehen wird. Daher vermuten wir, dass es zu einer Ausschüttung von Dopamin kommt, wenn Sie ein Bild oder Video liken.

Dopamin gilt als Belohnungsbotenstoff.
Das dachte man lange. Aber Dopamin hat viele Rollen: Wir wissen zum Beispiel aus Tierversuchen, dass es entscheidend für das Lernen und die Motivation ist. Affen mögen Weintrauben unglaublich gerne und jedes Mal, wenn Affen eine Weintraube bekommen, schüttet ihr Gehirn Dopamin aus. Wenn aber ein Licht vorher signalisiert, dass eine Weintraube kommen wird, wird das Dopamin zum Zeitpunkt des Lichtes ausgeschüttet. Nicht mehr zum Zeitpunkt der Weintraube. Das bedeutet, Dopamin kodiert nicht die Belohnung selbst, sondern ist assoziiert mit der positiven Überraschung darüber, dass gleich etwas Gutes kommt.

Die Affen haben also das Licht mit Vorfreude assoziiert?
Genau, Dopamin ist wichtig für dieses assoziative Lernen – also dafür, das Licht mit der Weintraube zu verbinden. Dieser Lerneffekt wird durch die Überraschung verstärkt.

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