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Notorische Geldsorgen. Zwei Drittel der Studierenden jobben. Unter den 17 Prozent, die Bafög beziehen, bekommen längst nicht alle den Höchstsatz von 670 Euro. Das Foto zeigt eine Studierendendemo im Jahr 2009 in Hannover. Foto: dpa

© ddp

Das Bafög feiert Geburtstag: Höher soll es leben!

Das Bafög wird 40 Jahre alt. Millionen hat es das Studium ermöglicht. Doch viele Wünsche bleiben offen. Nur ein Viertel derjenigen, die Anspruch auf Bafög haben, stellen überhaupt einen Antrag.

Vor 40 Jahren erblickte eins der längsten Wörter der deutschen Sprache das Licht der Welt: „Bundesausbildungsförderungsgesetz“. Das sind noch mehr Buchstaben als in „Donaudampfschifferkapitänsmütze“. Wer den sperrigen Begriff erfunden hat, ist nicht mehr zu ergründen. Vielleicht war es der damalige Wissenschaftsminister, der parteilose Professor Hans Leussink, der als Technokrat galt. Jedenfalls erwies sich der Name als gut gewählt. Bis heute gilt das Bafög als bürokratischer Problembär. Dass es heute dennoch Gratulationen von allen Seiten empfängt, liegt an seiner Lebensleistung: Vier Millionen Studierende verdanken ihm das Studium.

Als Bundeskanzler Willy Brandt mit der sozial-liberalen Koalition 1971 das Bafög ins Leben rief (am 1. September trat es in Kraft), war die Bildungsexpansion an deutschen Hochschulen bereits seit mehreren Jahren im Gange. Die Zahl der Studierenden und Wissenschaftler stieg immer weiter. Wirtschaftliche Argumente sprachen dafür, nicht mehr nur Kinder der Oberschicht studieren zu lassen.

Gesellschaftliche Argumente gab es auch. Schon jahrelang hatte die Studentenbewegung die „herrschenden Verhältnisse“ in Frage gestellt, überall brachen soziale Verkrustungen auf. So ist das Geburtsjahr des Bafögs auch das Jahr, in dem Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher anordnete, unverheiratete Frauen seien im Beruf mit „Frau“ und nicht mehr mit „Fräulein“ anzureden, und Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ Premiere feierte. Es passte zum emanzipatorischen Zeitgeist, dass Kinder aus weniger begüterten Familien nun einen Rechtsanspruch auf Studienförderung hatten. Der Bafög-Vorläufer, das seit 1957 existierende „Honnefer-Modell“, hatte besondere Leistungen von Studierenden für die Förderung verlangt.

Die Brandt-Regierung ließ zunächst Wohltaten auf Schüler und Studierende regnen. Fast 45 Prozent erhielten im Jahr 1972 Bafög, der Satz war so bemessen, dass er die Lebenshaltungskosten nahezu deckte. Der Bund übernahm schon damals 65 Prozent der Kosten, die Länder den Rest. Zurückzahlen mussten die Studierenden nichts.

Doch die goldene Zeit des Bafögs währte nur kurz. Schon 1974 wurde ein Teil der Finanzierung nur noch als Darlehen gewährt. Immer neue Novellen speckten das Bafög ab. Einen ersten Tiefpunkt erreichte der Anteil der Geförderten unter Bundeskanzler Helmut Kohl. Das Schülerbafög wurde (bis auf Ausnahmen) abgeschafft. Bafög gab es zwischen 1983 und 1990 nur noch als Volldarlehen, so dass Absolventen hohe Schulden abzutragen hatten. Im Jahr 1988 wurden nur noch 17 Prozent der Studierenden gefördert, im Jahr 1998 war nach weiteren Novellen der absolute Tiefstand erreicht. Nur noch 12,6 Prozent bekamen Bafög.

Heute hat sich der Anteil der Geförderten wieder auf 17 Prozent erhöht, nachdem die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2001 die Höchstverschuldung auf 10 000 Euro deckelte. Befriedigend ist die Lage der Bildungsfinanzierung nicht. Trotz der beiden jüngsten Bafög-Erhöhungen unter Bundesministerin Annette Schavan (CDU) liegt der Höchstsatz (monatlich 670 Euro) unter den vom Studentenwerk ermittelten Lebenshaltungskosten (812 Euro). Und nur 39 Prozent der Bafög-Empfänger bekommen den Höchstsatz überhaupt. Vermutlich ist das mit ein Grund dafür, dass drei Viertel derjenigen, die Anspruch auf Bafög haben, den Antrag gar nicht erst stellen – der Aufwand für die erwartbaren kleinen Zuschüsse scheint sich für viele nicht zu lohnen. So jobben zwei Drittel neben dem Studium. Von einer „Mittelstandslücke“ ist die Rede. Studierende, deren Eltern mit ihrem Einkommen gerade über dem Baföganspruch liegen, nehmen Studienkredite auf. „Bedenklich“, nennt das Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär beim Deutschen Studentenwerk.

Tatsächlich zeigt eine Auswertung der KfW-Bank, dass unter den Kreditnehmern viele (fast 60 Prozent) aus Familien mit mittlerem Status stammen. Überdurchschnittlich hoch ist auch der Anteil derer, die vor dem Studium bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen haben (35 Prozent). Womöglich sind die Studierenden mit einer Berufsausbildung auch eher bereit, die Gefahr hoher Schulden in Kauf zu nehmen. Denn selbst bei den derzeit vergleichsweise niedrigen Zinssätzen (3,99 Prozent) können hohe Schulden zusammenkommen. 68 000 Euro zahlt bei den aktuellen Konditionen des KfW-Kredites ein Student zurück, der sich für fünf Jahre Bachelor und Master im Monat 650 Euro auszahlen lässt und dann die Höchstdauer für die Tilgung (25 Jahre) in Anspruch nimmt.

Ein Studierendenparadies sähe anders aus. Studierende würden als junge Erwachsene betrachtet, die ein „Gehalt“ vom Staat bekommen, egal, wie viel die Eltern verdienen. So etwas gibt es wirklich. In Dänemark etwa erhalten Studierende, die in einer eigenen Wohnung leben, 650 Euro im Monat. Wer bei den Eltern wohnt, bekommt 350 Euro. Zusätzlich können Studierende ein Darlehen in Höhe von 310 Euro pro Monat beantragen, das sie bis spätestens 15 Jahre nach ihrem Abschluss zurückzahlen müssen.

In Deutschland gibt es seit vielen Jahren Vorschläge aus den Parteien oder vom Studentenwerk, mit zwei bis drei „Körben“ der Finanzierung einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Dazu könnten das Kindergeld und die Elternfreibeträge herangezogen werden. „In den skandinavischen Ländern gibt es aber einen gesellschaftlichen Konsens darüber“, sagt Achim Meyer auf der Heyde. Die Steuerbelastung ist dort erheblich höher als in Deutschland. Und auch die Nordländer kommen in der Finanzkrise an ihre Grenzen. So ist in den Niederlanden das Studierendengehalt in den vergangenen Jahren kaum mehr angehoben worden. Es liegt bei 266 Euro für Studierende mit eigener Wohnung und 95 Euro für die anderen. Gleichzeitig stiegen die Studiengebühren in den Niederlanden auf über 1700 Euro pro Jahr. Die Regierung plant, die Gebühren auf 3000 Euro für diejenigen anzuheben, die die Regelstudienzeit um mehr als ein Jahr überziehen.

Weil mit einem Geldregen nicht zu rechnen ist, richten Deutschlands Bafög-Unterstützer in den Parteien und beim Studentenwerk ihre Anstrengungen auf bürokratische Erleichterungen durch Online-Portale und kürzere Wege in den Ämtern, auf den Ausbau der Beratungsangebote und auf eine weitere Bafög-Novelle, in der die Sätze noch einmal angehoben und der Kreis der Berechtigten etwas erweitert würde. Zehn Prozent mehr könnten einen Bafög-Anspruch haben, wenn die Bundesregierung die geplanten 160 Millionen Euro für das neue Deutschlandstipendium, von dem auch nicht bedürftige Studierende profitieren, aufs Bafög lenken würde, sagt Meyer auf der Heyde. Auch Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) befürchtet, die Deutschlandstipendien könnten „womöglich Leute erreichen, denen es bestimmt nicht an Geld mangelt“.

Unklar ist, ob dem Bafög neben dem Deutschlandstipendium eine weitere Konkurrenz im Kampf um Haushaltsmittel erwächst. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag angekündigt, das „Bildungssparen“ staatlich bezuschussen zu wollen. Auf die Frage, ob der Plan noch umgesetzt wird, heißt es aus dem Bundesbildungsministerium, die Einrichtung des „Zukunftskontos“ sei erst nach Klärung mehrerer offener Fragen möglich.

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