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Am Abgrund. In „Interstellar“ fliegen die Filmhelden zu einem Planeten, der ein Schwarzes Loch eng umkreist.

© Warner Bros.

"Interstellar"-Berater Kip Thorne im Interview: „Wurmlöcher sind möglich“

Der Physiker und „Interstellar“-Berater Kip Thorne über Zeitreisen, intelligentes Leben im Universum und das größte Rätsel der Physik.

In dem Film „Interstellar“ reisen die Protagonisten durch ein Wurmloch in eine andere Galaxie. Würde Sie so ein Trip durchs Universum reizen?
Absolut! Es wäre total spannend, unser Sonnensystem zu verlassen, was mit der bisherigen Technik ja nicht möglich ist.

Wohin würden Sie reisen?
Am meisten interessiert mich das, was Cooper im Film getan hat: Mir ein Schwarzes Loch aus der Nähe anzuschauen. Denn darüber, was da drinnen vor sich geht, wissen wir noch recht wenig.

Erwarten Sie, da draußen Leben zu finden?
Als Wissenschaftler bin ich mir ziemlich sicher, dass es außerirdisches Leben gibt. Dafür gibt es einige Hinweise. Allerdings wird das nicht in der Nähe der Erde sein, sondern sehr weit draußen.

Haben Sie Angst vor Außerirdischen? Stephen Hawking warnt eindrücklich davor, Signale ins All zu schicken. Das würde intelligente Lebensformen anlocken, die uns dann kolonialisieren und ausplündern.
Ich sehe das anders als Stephen. Ich denke, wirklich hoch entwickelte Lebensformen haben schlicht kein Interesse an uns, wir wären ihnen zu primitiv.

Sie sind wissenschaftlicher Berater für „Interstellar“. Wie lief das ab? Ich könnte mir vorstellen, dass die Filmleute anders ticken als ein theoretischer Physiker wie Sie.
Gewiss. Aber alle, mit denen ich zu tun hatte – vom Regisseur Christopher Nolan über die Schauspieler bis zu den Leuten von der Computeranimation – sind sehr kreativ. Mir hat es viel Spaß gemacht, mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Gab es keinen Streit über Szenen?
Oh, wir haben viel diskutiert, aber im positiven Sinne. Manchmal kam Christopher Nolan mit ganz abgefahrenen Vorschlägen an und ich habe mich hingesetzt und nachgerechnet, ob die überhaupt mit den Gesetzen der Physik vereinbar sind. In allen Fällen konnte ich eine Lösung finden – mit einer Ausnahme. Er wollte Cooper, den Helden des Films, schneller als das Licht reisen lassen. Da habe ich ihm gesagt, nein, das ist unmöglich. Wir haben mehrfach darüber diskutiert und ich habe ihm Unterlagen mitgegeben. Nach zwei Wochen sagte er: Ich glaube, ich habe es verstanden, wir lassen das.

Kip Thorne ist theoretischer Physiker am California Institute of Technology. Er beschäftigt sich vor allem mit Allgemeiner Relativität. Er war zudem wissenschaftlicher Berater des Films "Interstellar".
Kip Thorne ist theoretischer Physiker am California Institute of Technology. Er beschäftigt sich vor allem mit Allgemeiner Relativität. Er war zudem wissenschaftlicher Berater des Films "Interstellar".

© dpa

Das heißt, alles im Film ist wissenschaftlich korrekt?
Ich habe ein Buch geschrieben, „The Science of Interstellar“. Dort gehe ich den ganzen Film durch und ordne das Gezeigte in drei Kategorien ein. Erstens „etablierte Wissenschaft“, die auf einem sehr soliden Fundament steht. Zweitens „starke Annahmen“, wo wir viele Hinweise haben, aber nicht hundertprozentig sicher sind, ob die Dinge wirklich so sind. Und drittens „Spekulation“, die jenseits unseres gesicherten Wissens liegt und wo wir nur einige Hinweise haben, ob es so sein könnte. In diese letzte Kategorie fallen Wurmlöcher. Sie sind zwar unwahrscheinlich, aber dennoch möglich, nach allem was wir bisher wissen. Wenn wir die Physik auf diesem Gebiet besser verstehen, könnte es sich herausstellen, dass diese Dinge unmöglich sind. Aber das wissen wir bisher einfach nicht.

Sie haben viel zur Theorie von Wurmlöchern geforscht. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass es eines Tages gelingt, mithilfe dieser Gebilde durch das Universum zu reisen?
Sehr gering. Ich habe noch nie eine Zahl dafür angegeben, doch ich würde schätzen: ein Prozent. Aber eben nicht null.

Eines der großen Probleme besteht darin, die exotische Materie, die laut Theorie für Wurmlöcher erforderlich ist, zu handhaben. Wie soll man das in Griff bekommen?
Hier sind wir tief im Reich der Spekulation. Was wir über Wurmlöcher sagen können: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie existieren, und es ist noch unwahrscheinlicher, dass sie natürlich vorkommen wie zum Beispiel Wolkenkratzer, die erst noch von einer fortschrittlichen Zivilisation errichtet werden müssen. Wir wissen, dass die Technologie, die dafür nötig ist, meilenweit von dem entfernt ist, was wir heute zur Verfügung haben. Das ist nicht eine Frage von Jahrhunderten, sondern eher von Jahrtausenden. Sofern es sie überhaupt geben darf.

Glauben Sie, dass sich die Menschheit in einigen Jahrtausenden überhaupt noch in guter Verfassung befindet oder ob der Planet dann schlicht verwüstet ist?
Ich weiß es nicht. Aber ich denke, wie auch Stephen Hawking, dass unsere langfristige Zukunft jenseits der Erde liegt. Doch das ist wirklich ein langer Weg, das wird nicht in den nächsten Jahrzehnten sein, eher in nächsten Jahrhunderten.

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Wenn unsere Nachfahren eines Tages die Erde verlassen müssen, dann wird enorm viel Energie nötig sein, um sie in Bewegung zu setzen, etwa mit Raumschiffen. Wie lässt sich das in den Griff bekommen?
Das Problem ist weniger die Energie, eher die gewaltigen Entfernungen. Wir können heute interplanetarische Reisen mit unbemannten Sonden starten. Aber über unser Sonnensystem hinaus in andere Sonnensysteme, das sind unermessliche Strecken. Nichts, was man binnen eines Menschenlebens bewältigt. Der Abstand zum nächsten Planeten, der außerhalb unseres Sonnensystems ist und lebensfreundliche Bedingungen bietet, beträgt zwölf Lichtjahre. Zwölf Jahre würde es dauern, wenn man so schnell wäre wie das Licht, was natürlich keiner schafft. Überträgt man diese Distanz auf eine halbe Erdumrundung, dann entspricht der Abstand Erde–Mond gerade sieben Zentimetern. Das ist die Herausforderung von interstellaren Reisen: Sieben Zentimeter gegenüber einem Trip um die halbe Welt.

In dem Film gibt es noch eine weitere fantastische Möglichkeit: Zeitreisen. Werden die eines Tages möglich sein?
Wir wissen nicht, ob es möglich ist, in die Vergangenheit zu reisen. Es gibt jedoch viele Hinweise, dass das nach den Gesetzen der Physik verboten ist. Doch bislang verstehen wir die Physik noch nicht gut genug. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die eine Antwort auf die Frage nach Zeitreisen mit etwas zusammenhängt, was wir Quantengravitation nennen. So bezeichnen wir eine Vereinheitlichung der Theorien der Quantenphysik, die sich um Vorgänge in kleinen Maßstäben wie Atomen kümmert, und der Allgemeinen Relativität, wo es um Gravitation und die Beziehung von Zeit und Raum in den Größenordnungen des Kosmos geht. Diese beiden Theorien zusammenzubringen, ist die größte Herausforderung der Physik in dieser Zeit. Wenn uns das gelingt, werden wir genauer wissen, was zu Beginn des Universums geschah, was in Schwarzen Löchern vor sich geht und ob wir in der Zeit zurückreisen können.

Theoretiker arbeiten seit Jahrzehnten an einer vereinheitlichenden Theorie. Wann wird es gelingen, den Knoten zu zerschlagen?
Ich denke, das wird noch Jahrzehnte dauern. Aber die Fortschritte sind groß. Ich denke an die Stringtheorie oder die M-Theorie, die aus der Stringtheorie kommt, oder die Loop-Quantengravitation. Ich glaube, dass ich es noch erleben könnte, wenn eine Antwort auf diese große Frage gefunden wird. Gut, ich bin schon 74, dann müsste ich eben 100 werden. Aber die nächsten 30 Jahre, das ist schon ein realistischer Zeitraum.

Falls sich dann herausstellt, dass Reisen in die Vergangenheit möglich sind, würden Sie das machen wollen?
Ich weiß nicht, ich muss da sehr genau überlegen. Ich würde gern in den Weltraum reisen, aber in die Vergangenheit, nun da bin ich vorsichtig.

Warum?
Ich müsste erst mal besser verstehen, was die physikalischen Gesetze über Zeitreisen bedeuten. Sie kennen doch die Gedankenspiele, dass es möglich wäre, seinen Großvater umzubringen, lange bevor man selbst geboren wird. Ich will das erst genauer kapieren, bevor ich mich auf die Reise mache.

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