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Das ursprünglich wohl aus Polynesien stammende Volk der Rapa Nui schuf die Moai, die riesigen Steinköpfe auf der Osterinsel.

© dpa

Bevölkerungsschwankung statt Umweltzerstörung: Kein Kollaps auf der Osterinsel

Bislang meinten Forscher, die Rapa Nui Kultur hat sich durch Zerstörung ihrer Umwelt lange vor Ankunft der Europäer abgeschafft. Die Untersuchung von Steinwerkzeugen widerspricht dieser Theorie jetzt.

Am 5. April 1722 betrat der Niederländer Jakob Roggeveen als erster Europäer die Osterinsel im südöstlichen Pazifik. Waren es die Fremden und die mit ihnen reisenden Pocken-, Syphilis- und Tuberkuloseerreger (oder gar schlicht Ratten), die den Untergang der Rapa-Nui-Kultur auslösten? Oder hatte sich das Inselvolk, das mindestens seit dem 12. Jahrhundert auf der Insel lebte, schon lange zuvor selbst der Lebensgrundlage beraubt, indem es die empfindliche Umwelt überstrapaziert hatte, etwa durch massive Abholzung?

Diese zweite, die Kollaps-Hypothese gilt heute unter den meisten Forschern als gesichert, spätestens seit dem Bestseller „Kollaps“ von Jared Diamond. Darin schildert der Biologe viele Beispiele menschlicher Kulturen, die ihre natürlichen Ressourcen ausbeuteten und zusammenbrachen.

Obsidianfunde widersprechen der Kollaps-Theorie

Tatsächlich deuten archäologische Funde darauf hin, dass es auch auf der Osterinsel bereits im 16. und 17. Jahrhundert Bevölkerungsrückgang, kulturellen Zerfall und Kämpfe gab. Doch manche Forscher deuten dies im Sinne einer kulturellen Kontinuität und machen erst die Ankunft der Europäer für den Niedergang verantwortlich.

Dieser Ansicht schließt sich jetzt auch ein Forscherteam um Christopher Stevenson von der Virginia Commonwealth University in Richmond (USA) an, nachdem sie das Alter und die Verteilung von Steinwerkzeugen aus Obsidian auf der Osterinsel untersucht haben. Aus dem glasartigen Vulkangestein stellten die Rapa Nui Pfeilspitzen und andere scharfkantige Werkzeuge her. Je länger die bearbeiteten Obsidianstücke der Witterung ausgesetzt waren, umso mehr Wasser nahmen sie auf – wodurch sich das Alter der Steinwerkzeuge bestimmen lässt und damit auch, wie intensiv das Land im Verlauf der Jahrhunderte genutzt wurde.

Keine Umweltzerstörung sondern schwankende Umweltbedingungen

Demnach war die Landnutzung (und damit vermutlich auch die Bevölkerungszahl) in zwei von drei Inselarealen kurz vor Ankunft der Europäer um etwa die Hälfte zurückgegangen. Allerdings handelt es sich dabei um ein besonders trockenes beziehungsweise ein unfruchtbares Areal. In einem dritten, feuchten und fruchtbaren Areal in der Mitte der Insel wiesen die Forscher hingegen eine kontinuierlich intensive Landnutzung bis ins 19. Jahrhundert nach.

Diese im Fachblatt „PNAS“ veröffentlichten Ergebnisse sprechen gegen einen inselweiten Bevölkerungskollaps, schreiben die Wissenschaftler um Stevenson. „Die schwindende Intensität der Landnutzung – und vermutlich auch der Bevölkerungszahl – in einigen trockenen und unfruchtbaren Regionen Rapa Nuis lassen sich eher mit besonderen Umweltbedingungen als mit Umweltzerstörung erklären.“

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