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Klimaschutz: Spieltheorie gegen Treibhausgase

Gegen den Klimawandel engagiert sich nur, wer persönliche Folgen fürchtet. Überraschend ist dieses Ergebnis auf den ersten Blick nicht. Und doch betreten die Forscher Manfred Milinski und Jochem Marotzke von den Max-Planck-Instituten für Evolutionsbiologie in Plön und Meteorologie in Hamburg Neuland.

Im Jahr 2050 dürfen nur noch halb so viele Treibhausgase in die Luft geblasen werden wie 2007, ist sich der Weltklimarat IPCC einig. Dazu aber müssten 6,5 Milliarden Menschen dazu gebracht werden, sich klimabewusst zu verhalten. Ist das überhaupt möglich? Schließlich denkt der Einzelne leicht: Wieso soll ich mich engagieren, wenn andere das nicht tun? Da fährt der Nachbar einen Geländewagen mit hohem Kohlendioxidausstoß oder der transatlantische Nachbar USA will beim Klimaschutz partout nicht mitziehen. Genau diese Situation haben die MPI-Forscher mit Hilfe der Spieltheorie simuliert. Diese wurde vom Nobelpreisträger Reinhard Selten an der Uni Bonn zu einer „experimentellen Ökonomie“ weiterentwickelt, die überprüft, wie Menschen sich wirtschaftlich verhalten.

An dem Experiment nahmen 30 Gruppen mit jeweils sechs Studenten teil. Jeder bekam 40 Euro Startguthaben, von dem er in zehn Spielrunden jeweils keinen, zwei oder vier Euro für Klimaschutz einsetzen konnte. Sobald eine Gruppe 120 Euro zusammen hatte, wurde das Spiel abgebrochen und jeder durfte das Restgeld einkassieren. Das Erreichen des Klimaschutzziels wurde als gut belohnt.

Waren nach zehn Runden keine 120 Euro in der Kasse, verlor jeder sein Restguthaben mit einer vorher für die Gruppe festgelegten Wahrscheinlichkeit von zehn, 50 oder 90 Prozent. Wer tatsächlich leer ausging, ermittelte ein Zufallsgenerator. Nach jeder Runde wurden die eingezahlten Kilmaschutzbeiträge offengelegt, allerdings erfuhr niemand, wer welche Summe gezahlt hatte. Die Strategien der Mitspieler konnte also jeder verfolgen, aber niemand verlor sein Gesicht wegen zu geringer Spenden oder gewann an Reputation durch Großzügigkeit.

Wenn jeder pro Runde zwei Euro in die Klimakasse einzahlen würde, blieben am Ende 20 Euro für jeden. Das klappt nur, wenn man sich auf die anderen verlassen kann. Doch schnell fingen Einzelne an, weniger oder gar nichts zu zahlen – in der Hoffnung, dass das Engagement der anderen am Ende reicht. Dann wäre ihr eigener Gewinn nämlich höher. Erwartungsgemäß war die Zahl der Schummler umso größer, je niedriger die Wahrscheinlichkeit war, am Ende alles zu verlieren. Doch selbst bei 90 Prozent Verlustwahrscheinlichkeit hatte nur die Hälfte der Gruppen ihre 120 Euro zusammen. Damit ist für Marotzke klar: „Das gemeinsame Klimaschutzziel lässt sich nur erreichen, wenn jeder Einzelne überzeugt ist, dass ein Versagen Folgen für ihn selbst hat.“ Diese Folgen können Extremhochwasser wie die Elbeflut im Jahr 2002, hohe Energiepreise oder auch Flüchtlingsströme von der Südhalbkugel sein.

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