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Eisschollen mit drei Pinguinen

© picture-alliance / dpa/dpaweb

Klimawandel: Die Antarktis speichert Wärme

Wasser in der Tiefe des Südatlantiks speichert Energie der Klimaerwärmung

Ende des letzten Jahrhunderts stieg die globale Durchschnittstemperatur noch stetig. Doch seit einigen Jahren verharrt sie auf gleichem Niveau, es wird nicht mehr wärmer – ein Umstand, über den viel diskutiert wird. Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum Geomar in Kiel und seine Kollegen glauben nun, eine Erklärung zu haben. Wie sie im Fachblatt „Climate Dynamics“ schreiben, speichert das Wasser in der Tiefe des Südatlantiks einen Teil der Energie der Klimaerwärmung. Dieser Prozess könnte den Anstieg der Durchschnittstemperaturen auf der Welt bremsen. „Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben“, sagt Latif. Wenn sich der Akku später wieder entlädt, holt er das Versäumte nach und sollte die Erderwärmung zusätzlich beschleunigen.

Die Energie zum Beladen dieses Speichers kommt aus dem Nordatlantik. Dort kühlen kalte Winde das Wasser der Labrador- und Grönlandsee ab. Es sinkt in die Tiefe und strömt 2000 bis 3000 Meter unter der Oberfläche in Richtung Äquator. Mit 30 Milliarden Litern pro Sekunde bringt dort ein gigantischer Strom dreißigmal mehr Wasser nach Süden, als alle Flüsse der Erde ins Meer führen.

Obwohl dieses Wasser sehr kalt ist, speichert es noch immer etwas Wärme, die es an der Oberfläche aufgenommen hat. Ein Teil der Energie der Erderwärmung verschwindet also mit der Tiefenströmung aus dem Einflussbereich der Atmosphäre. Das Tiefenwasser gerät dann in einen riesigen Wirbel im Weddellmeer am Rande der Antarktis. Dort liegt am Grund eine dicke Schicht mit sehr salzhaltigem und kaltem Wasser. Da es etwas schwerer ist als das nach Süden fließende Tiefenwasser, kann dieses nicht weiter absinken. Aufsteigen geht aber auch nicht, weil die darüberliegenden Schichten wärmer sind. Die mit dem Tiefenwasser beförderte Energie ist gefangen.

Im Norden läuft die Pumpe unterdessen weiter, immer neues Tiefenwasser entsteht und trägt Energie ins Weddellmeer. „Das Ganze ähnelt einem gigantischen Akku, der langsam aber stetig aufgeladen wird“, sagt Latif. Solche Prozesse sind seit Jahren bekannt. Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg hat sie bereits vor einem Vierteljahrhundert in einer einfachen Simulation des Nordatlantiks gesehen. „Wir haben dem damals keine große Bedeutung beigemessen. Erst später hat sich gezeigt, wie interessant solche Speicher sind“, sagt Marotzke.

Irgendwann aber ist jeder Speicher voll. Die Tiefenwasserschicht wird immer mächtiger, je mehr Energie nach Süden strömt. Dann beginnen vorher gut voneinander getrennte Wassermassen sich zu mischen. Die „eingesperrte“ Energie entweicht aus dem Meer und heizt das Klima auf. Genau das scheint viele Jahre im Süd-Ozean passiert zu sein: „Bis Mitte der 1970er Jahre kam dort Wärme an die Oberfläche“, sagt Latif. Danach war der Akku anscheinend leer. Der Wärmefluss aus der Tiefe versiegte, die Temperaturen in weiten Teilen der Südhalbkugel stiegen nicht weiter.

„Es geht um Unterschiede von einigen Zehntelgrad Celsius“, sagt Latif. Da in den letzten 100 Jahren die Temperaturen weltweit um gerade 0,7 Grad gestiegen sind und der Süd-Ozean einen großen Teil des Globus umspannt, bremst der natürliche Zyklus zurzeit die Erwärmung. Das deuten die Modelle der Kieler Forscher an. „Andere Simulationen führen zu anderen Ergebnissen“, gibt Marotzke zu bedenken. Das weiß auch Latif und will daher die Daten aller Klimamodelle nutzen, um seine Theorie zu überprüfen.

Sie interessiert besonders die Frage, wie lange ein Ladezyklus dauert. Die Analyse von Baumringen auf der Insel Tasmanien zeigt, wie die Sommertemperaturen der letzten 3000 Jahre schwankten und könnte daher bei der Antwort helfen: „Dort deutet sich ein Zyklus von rund 100 Jahren an“, sagt Latif. Da der Akku derzeit schon seit drei Jahrzehnten lädt, könnte er also in absehbarer Zeit voll sein und dann die gespeicherte Energie abgeben. Die Klimabremse würde dann nicht mehr greifen.

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