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Krebstherapie: Tumorbehandlung nach Maß

Ein Test kann Tausenden von Frauen mit Brustkrebs eine unnötige Chemotherapie ersparen. Die Helios-Kliniken gelten als Vorreiter und nutzen den Nachweis nun regelmäßig.

Krebs ist inzwischen oft heilbar. Chemotherapien haben an diesem Erfolg einen wichtigen Anteil. Aber die Behandlung mit diesen Zellgiften ist auch der Grund dafür, dass viele Menschen sich vor der Diagnose Krebs fürchten. Umso wichtiger ist es, dass nur die Patienten eine Chemotherapie bekommen, die auch wirklich etwas von der Behandlung haben. „Doch das steht den Patienten nicht auf die Stirn geschrieben“, bedauert Christoph Thomssen, Gynäkologe an der Uniklinik in Halle.

Dort kommt seit einiger Zeit ein Test zum Einsatz, der bei einer großen Gruppe von Brustkrebs-Patientinnen für mehr Klarheit sorgt. Mit dem uPA/PAI-1-Test werden zwei Eiweiße bestimmt, die entscheidend daran beteiligt sind, wenn der Krebs im Körper streut und Absiedlungen bildet.

Wie der Helios-Konzern gestern bekannt gab, wird der Test ab sofort auch in allen 24 gynäkologischen Fachabteilungen seiner Kliniken eingesetzt werden. „Für mich wird damit ein Traum wahr“, sagte Michael Untch von der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Helios-Klinikum in Berlin-Buch, der seit Jahren engagiert für den Test kämpft.

Der Nachweis wurde schon vor rund 20 Jahren von Münchner Gynäkologen entwickelt. Die amerikanischen Behandlungs-Leitlinien empfehlen ihn seit 2007, und auch in die deutschen Brustkrebs-Richtlinien hat er aufgrund der soliden wissenschaftlichen Basis inzwischen Eingang gefunden. Thomssen schätzt jedoch, dass der Test heute erst in 60 bis 70 Brustzentren in ganz Deutschland zum Einsatz kommt.

Das Eiweiß Urokinase-Typ Plasminogen Aktivator (uPA) und dessen Gegenspieler PAI-1 zählen zu den prognostischen Markern. Brustkrebs-Patientinnen im Frühstadium, bei denen keine Lymphknoten befallen sind, haben besonders gute Heilungschancen, wenn im Tumorgewebe der Anteil an uPA/PAI-1 niedrig ist. In Studien waren das mehr als ein Drittel aller betroffenen Frauen. Wie die Ergebnisse zeigen, kann ihnen eine begleitende Chemotherapie erspart bleiben. Man kann das wagen, weil die Langzeitdaten inzwischen zeigen, dass sich ihr Risiko, erneut zu erkranken, durch den Verzicht auf die aggressiven Medikamente nicht erhöht.

Untch vermutet, dass in Deutschland jedes Jahr rund 10 000 Frauen eine belastende Chemotherapie erspart werden könnte, wenn alle Frauen mit diesen Charakteristika getestet würden. Allein in den Helios-Kliniken, wo jährlich etwa 2200 Frauen wegen Brustkrebs operiert werden, gehe es um 400 bis 500 Frauen.

Durch die bundesweit eingeführte Brustkrebs-Früherkennung (Mammografie-Screening) für alle Frauen zwischen 50 und 69 Jahren dürften es noch mehr werden, denn vier von fünf der hier entdeckten Tumoren haben nicht in die Lymphknoten gestreut.

Der Test, für den Kosten von rund 250 Euro entstehen, dürfte auch die behandelnden Ärzte entlasten, bietet er ihnen doch ein sachliches Kriterium für ihre Empfehlung für oder gegen eine Chemotherapie. Auch die Frauen, deren Werte für uPA und PAI-1 über den Grenzwerten von drei und 14 Nanogramm pro Milligramm Gesamteiweiß liegen, profitieren. Sie haben mehr Klarheit darüber, dass sie in den sauren Apfel beißen müssen, um ihre Chancen auf Heilung zu erhöhen.

„Da diese beiden Eiweiße für das Auswandern der Krebszellen und ihr Eindringen in gesundes Gewebe eine wichtige Rolle spielen, ist das auch biologisch plausibel“, sagt Thomssen. Inzwischen zeichnet sich ab, dass der uPA/PAI-1-Level auch bei anderen Krebsarten Bedeutung hat. Die beiden Substanzen im Tumor aufzuspüren und zu messen sei allerdings eine logistische und technische Herausforderung, berichtet Thomas Mairinger, Pathologe am Helios-Klinikum Emil von Behring in Zehlendorf. Gleich nach der Operation muss ein kleines Gewebestück für den Test entnommen und stark gekühlt werden. Die Entscheidung für den Test muss sofort fallen. Denn im Unterschied zu einigen anderen Merkmalen des Tumors kann uPA/PAI-1 nicht noch nachträglich Jahre später aus dem Tumorgewebe bestimmt werden, das in Paraffin konserviert wird. Ist keine Pathologie vor Ort, dann kann die Gewebeprobe in Styroporkisten mit Trockeneis versandt werden. „Wir brauchen dafür eine funktionierende Kühlkette und engagierte Mitarbeiter“, sagt Mairinger. Das gelte allerdings für viele der neuen Tumormarker, die nun nach und nach Einzug in den klinischen Alltag halten werden. Und mit denen sich die Hoffnung auf eine schonendere, individuellere Behandlung von Krebs verbindet.

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