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Eine Lehrerin steht vor einer Klasse, in der sich alle Kinder melden.

© imago images/Westend61

Länger arbeiten und Verbeamtung: Bayern zeigt, was gegen Lehrermangel wirklich hilft

Während andere Länder - wie Berlin - massenhaft Quereinsteiger einstellen, beweist Bayern beim Kampf gegen den Lehrkräftemangel Mut. Eine Kolumne

Eine Kolumne von Jan-Martin Wiarda

Bis 2025 sollen Tausende Grundschullehrer fehlen. Die Bertelsmann-Stiftung sagt: über 26 000. Die Kultusministerkonferenz (KMK) sagt: knapp 11 000. Jetzt kann man lange darüber diskutieren, wie die Prognosen derart unterschiedlich sein können und wer am Ende Recht hat. Fest steht: Die Lücke wird richtig wehtun. Und Folgen haben vor allem für jene Kinder, die in den nächsten Jahren die Grundschule durchlaufen.

In Berlin etwa wurden die neuen Lehrerstellen 2018 zu 60 Prozent mit Quereinsteigern besetzt. Ohne deren Motivation oder Engagement abwerten zu wollen: Wenn laut aktueller Pisa-Studie schon jetzt mehr als 20 Prozent der 15-Jährigen zum Beispiel nicht richtig lesen können, bleibt es angesichts solcher Einstellungsquoten abzuwarten, wie viele es bei der nächsten Generation ehemaliger Grundschüler sein werden.

Die Bundesländer liefern sich derweil einen ins Absurde reichenden Wettbewerb um die vorhandenen Lehramtsabsolventen, der sie durch diverse Höherstufungen der Lehrergehälter schon jetzt teuer zu stehen kommt und in ein paar Jahrzehnten noch teurer: Bis auf Berlin winken alle Bundesländer inzwischen wieder mit der Verbeamtung, und in Berlin würde die Partei von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) wenn sie könnte, sofort nachziehen. Dabei waren sich die meisten Bildungspolitiker mal einig, dass die Verbeamtung wegen der langfristig enormen Pensionslasten keine gute Idee sei.

Mindeststundenzahl bei Anträgen auf Teilzeit

Umso mehr lässt aufhorchen, welchen Beschluss Bayerns Bildungsminister Michael Piazolo (freie Wähler) zu Jahresbeginn verkündet hat. Die Grundschullehrer im Freistaat sollen vorübergehend um eine Stunde pro Woche mehr unterrichten. Und wer künftig auf Teilzeit wechseln will, kann das zwar weiter beantragen, aber mit einem ebenfalls höheren sogenannten Mindeststundenmaß. Ein paar Ausnahmen hat Piazolo eingebaut, doch die Wut unter Bayerns Lehrern ist trotzdem groß. Allerdings hatte sogar ihr bundesweit höchster Vertreter, der Lehrerverbands-Präsident Heinz-Peter Meidinger, den hohen Anteil häufig zu wenig qualifizierter Quereinsteiger in der „Welt“ als „Verbrechen an den Kindern“ bezeichnet.

[Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.]

Der Lehrermangel ist jetzt da. Er mag von den Kultusministern durch eine daneben gegangene Bedarfsplanung zum Teil hausgemacht sein, aber klar ist auch: Es wird Jahre dauern, bis die Linderung in Form ausreichender Absolventen eintrifft. Bis dahin kann man als Kultusminister Krokodilstränen weinen, man kann das letzte Aufgebot an Quereinsteigern in die Schule schicken, freundlich an die vorhandenen Lehrer appellieren, für ein paar Jahre freiwillig mehr zu arbeiten – oder man nutzt in Form der verordneten Mehrarbeit den womöglich größten Vorteil, den die teure Verbeamtung bietet. Piazolos Mut möchte man insofern auch seinen Kollegen wünschen.

Die Regelung allein wird den Mangel natürlich nicht beseitigen, aber sie wird den bayerischen Grundschülern helfen. Übrigens hat sie noch einen Vorteil. Nach 2025 könnte sich nach aktuellen Prognosen der Trend umdrehen. Wenn plötzlich mehr Berufseinsteiger da sind als Stellen, helfen die vollen Arbeitszeitkonten. Werden sie abgebaut, können parallel mehr Neue eingestellt werden. So etwas nennt sich vorausschauende Politik.

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