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Schlecht ausgebildet. Haupt- und Realschullehrer können teilweise die Aufgaben ihrer Schüler nicht lösen.

© ddp

Lehrer im Test: Pädagogen mit Rechenschwäche

Studie: Deutsche Mathelehrer sind international nur Mittelmaß. Lehrkräfte am Gymnasium machen aber sehr guten Unterricht.

Haupt- und Realschullehrer haben Mühe mit dem eigenen Lehrstoff, Gymnasiallehrer dagegen sind weltweit Spitze: In keinem Land sind die Kompetenzen von Lehrern so unterschiedlich verteilt wie in Deutschland. Dieses gemischte Bild zeichnet eine neue internationale Studie zum Können von Mathematiklehrern. „Ein Teil unserer Lehrkräfte wird damit unzureichend auf die Aufgabe vorbereitet, Schülerinnen und Schüler zu den staatlich gesetzten Bildungsstandards zu führen“, sagte Studienleiterin Sigrid Blömeke von der Humboldt-Universität bei der Vorstellung der Ergebnisse am Donnerstag in Berlin.

Für die Studie „Teds-M“ testeten die Forscher weltweit 20 000 junge Mathematiklehrkräfte, die sich im letzten Ausbildungsjahr befanden (siehe Kasten). Untersucht wurden das Fachwissen und die didaktische Kompetenz von Lehrern für die Primar- sowie die Sekundarstufe. Die Ranglisten werden jeweils von Taiwan, der Schweiz und Singapur angeführt. Schlusslichter sind Länder wie Chile, Georgien und Botswana. Die Leistungen der deutschen Lehrer liegen in beiden Schulstufen in der Gesamtschau stabil über dem internationalen Mittelwert – aber mit einem großen Abstand zum Spitzenreiter Taiwan.

Wie groß die Unterschiede in Deutschland ausfallen, zeigt sich an der Sekundarstufe. Die Gymnasiallehrer glänzen: Achtzig Prozent erreichen das oberste Niveau, wenn es um die Fähigkeit geht, ihr Wissen den Schülern zu vermitteln. Kein Land steht besser da. Die Kollegen von den Haupt- und Realschulen dagegen schaffen bei der Fachdidaktik zur Hälfte nur das untere Kompetenzniveau. Teilweise fällt es ihnen sogar schwer, Aufgaben zu lösen, die auf dem Niveau ihrer Schüler liegen.

Die Unterschiede seien „besorgniserregend“, sagte Studienleiterin Blömeke – zumal vor dem Hintergrund, dass die Hauptschullehrer diejenigen seien, die die Risikoschüler in Deutschland unterrichten. Sie müssten daher eigentlich über noch bessere fachliche Kompetenzen als die Gymnasiallehrer verfügen.

Blömeke führte die Diskrepanz auf die unterschiedliche Ausbildung zurück. Pädagogen für die Haupt- und Realschule absolvieren bisher ein kürzeres Studium. Das müsse sich ändern. „Wir investieren sehr viel in die Gymnasiallehrerausbildung. Unter dem Aspekt der Chancengleichheit für Schüler muss auch mehr Geld für Haupt- und Realschullehrer ausgegeben werden.“

Die Deutsche Mathematiker-Vereinigung und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderten, die Dauer und die Inhalte des Studiums sowie die Löhne anzugleichen. Dann könnten womöglich auch noch bessere Abiturienten für die Hauptschule gewonnen werden, hieß es in einer Mitteilung der Mathematiker-Vereinigung. Abiturienten, die an Haupt- und Realschulen unterrichten wollen, bringen derzeit eine Abiturnote von 2,4 mit, was exakt dem deutschen Schnitt entspricht. Angehende Gymnasiallehrer haben die Schule dagegen im Schnitt mit deutlich besseren 1,98 abgeschlossen.

Unter den Grundschullehrerinnen und -lehrern zeigen sich ebenfalls große Leistungsschwankungen. Wenn sie sich während ihres Studiums für einen Schwerpunkt Mathematik entscheiden, sind ihr Fachwissen und ihre fachdidaktischen Fähigkeiten international überdurchschnittlich. Ohne diese Vertiefung seien sie oft überfordert. Ihr Wissen stamme dann hauptsächlich aus der eigenen Schulzeit, heißt es in der Studie: „Sie können kaum erfolgreichen Unterricht durchführen.“

Als besonders problematisch stufte Blömeke die Kenntnisse der Lehrer ein, die stufenübergreifend für die Grund-, Haupt- und Realschule ausgebildet werden. Wenn diese keinen Schwerpunkt Mathematik wählen, liegen sie teilweise auf dem Niveau von Lehrern in Botswana und auf den Philippinen. „Kognitiv anregender Mathematikunterricht“, mit dem Schülerinnen und Schüler die Bildungsstandards der Grundschule erreichen können, dürfte dieser Gruppe schwerfallen. Wenn man sich für eine längere Grundschulzeit von sechs Jahren einsetze, müsse man auch eine radikale Reform der Lehrerausbildung auf den Weg bringen, sagte Gabriele Kaiser, Erziehungswissenschaftlerin an der Universität Hamburg. Sie forderte, Mathematik müsse neben Deutsch Pflichtschwerpunktfach für alle angehenden Grundschullehrer werden.

Die Befunde dürften zumal in Berlin erneute Diskussionen auslösen – vor allem vor dem Hintergrund, dass Grundschullehrer sich derzeit beklagen, für viele Kinder seien die Vergleichsarbeiten der dritten Klasse viel zu schwierig. Berlin sei das einzige Land, in dem angehende Grundschullehrer während ihres Studiums Mathematik komplett abwählen dürften, kritisierte Kaiser: „Berlin geht hier einen Sonderweg, der problematisch ist.“ Berlin gehört zudem zu den neun Bundesländern, in der Grund- , Haupt- und Realschullehrer stufenübergreifend ausgebildet werden.

Mangelt es den deutschen Lehrern auch an allgemeinen pädagogischen Fähigkeiten? Nein, sagte Blömeke. Vielmehr sei ein „Wandel der Unterrichtskultur“ festzustellen. Deutschland sei das Land, in dem Lehrer am stärksten „ausschließlich lehrerzentrierte Unterrichtsformen“ ablehnten. Deutsche Lehrer könnten im internationalen Vergleich auch sehr gut mit heterogenen Schülergruppen umgehen.

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