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Schulbuecher

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Lernmittel: Ein Schulbuch tut’s auch

Zu viele unterschiedliche Lehrbücher in den Schulen der Länder behindern die Mobilität, meinen Experten. Die Verlage befürworten eine stärkere Abstimmung der Lehrpläne unter den einzelnen Bundesländern.

Schulbuchverlage stellen sich hinter den Vorschlag von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU), die Zahl der Schulbücher in Deutschland zu verringern. "Wir begrüßen jeden Abstimmungsprozess, der zu einer Reduzierung von Länderausgaben führt", sagte Rino Mikulic vom VdS Bildungsmedien, dem Verband der Schulbuchverlage, dem Tagesspiegel. Auch der Cornelsen-Verlag würde es befürworten, wenn die Lehrpläne der Bundesländer - und damit auch die Lehrbücher - stärker aufeinander abgestimmt wären, sagt sein Geschäftsführer Wolf-Rüdiger Feldmann. Mikulic und Feldmann warnen aber davor, die Zahl der Schulbücher zu sehr zu reduzieren. Gerade wegen der größer werdenden Leistungsunterschiede sei es nötig, verschiedene Schülergruppen mit gezielt auf sie zugeschnittenen Büchern zu unterrichten, sagte Mikulic: "Das Motto: ‚Ein Fach, ein Schüler, ein Buch' lehnen wir ab."

Am Wochenende hatte Bundesbildungsministerin Annette Schavan die Länder angegriffen: "Ich finde, es ist schwer erklärbar, dass ein Mathematikbuch für die fünfte Klasse in Deutschland in zig Auflagen unterschiedlich nach Ländern existiert", sagte sie. Auch die Schulbuchverlage finden die Zahl der Bücher übertrieben . Sie müssten teilweise so viele verschiedene Versionen eines Lehrbuches produzieren, dass sich "einzelne Länderausgaben kaum rechnen", sagt Norbert Coldewey vom Cornelsen-Verlag.

Cornelsen bringt laut Coldewey für jedes Fach mindestens zwölf verschiedene Ausgaben eines Lehrbuches pro Klassenstufe heraus. Die großen westdeutschen Flächenländer - Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hessen - erhalten ihre eigene Ausgabe, ebenso jedes neue Bundesland und Berlin. Grund dafür seien die nach wie vor weit auseinandergehenden Lehrpläne der Länder. Die neuen Bildungsstandards, auf die sich die Länder geeinigt haben, hätten zwar einen Rahmen festgeschrieben. Dieser könne aber unterschiedlich ausgefüllt werden, sagt Coldewey: "Die Länder nutzen den Spielraum mit Begeisterung."

So habe immer noch jedes Land eigene Vorstellungen, wie der Stoff in den Lehrbüchern didaktisch aufbereitet werden solle. Die Naturwissenschaften würden zudem in einigen Ländern in einem übergreifenden Fach unterrichtet, in anderen nicht. Ob die Schüler Fächer wie Chemie, Biologie oder auch Geschichte in der fünften oder erst in der achten Klasse bekommen, variiere ebenfalls. Einige Länder - wie etwa Bayern - würden zudem auf einem Schulbuch pro Klassenstufe bestehen, andere dagegen auch jahrgangsübergreifende Bücher akzeptieren. Da jedes Land die Schulbücher genehmigen müsse, seien die Verlage von den Wünschen der Kultusministerien abhängig.

Bernd Wurl, Professor für die Didaktik der Mathematik an der Freien Universität, ist gegen einen völlig einheitlichen Unterricht "nach DDR-Art". Trotzdem wünscht er sich bundesweit geltende Schulbücher. Eine Gleichschaltung des Unterrichts werde es deshalb trotzdem nicht geben. Schließlich erlauben die Lehrpläne vieler Länder den Lehrern bereits, etwa 40 Prozent der Unterrichtszeit gemäß eigenen Vorstellungen zu füllen. Auch wäre Vielfalt garantiert, weil ja jeder Verlag weiterhin eigene Bücher anbieten würde, sagt Wurl. Nicht zuletzt seien etwa Hauptschulen in Bayern etwas völlig anderes als Hauptschulen in Berlin, so dass auch deshalb unterschiedliche Lehrwerke weiterhin nötig wären.

"Die Vielfalt der Schulbücher ist ein Segen", sagt Helmut Otten, der Fachbereichsleiter Deutsch an der Bröndby-Gesamtschule in Berlin-Lankwitz ist, und an der FU angehende Lehrer in Didaktik ausbildet. Um den großen Unterschieden zwischen den Schülern gerecht zu werden, müssten die Lehrer das Material "für jede Klientel speziell auswählen" - aus verschiedenen Schulbüchern und vielen anderen Materialquellen. "Ein Einheitsschulbuch würde mich deshalb zu sehr binden", sagt Otten. Die neuen Bildungsstandards der Kultusminister begrüßt Otten zwar: "Auf welchen Wegen man diese Ziele erreicht, muss aber frei sein."

Auch Jenny Oepke, die Mathematik und Physik an der Fichtenberg-Oberschule in Berlin-Steglitz unterrichtet, hält es für wichtig, dass die Lehrer bei der Wahl ihrer Materialien und Methoden große Freiheiten haben. Dem stünden mehr Gemeinsamkeiten zwischen den Ländern aber nicht im Wege: "Warum braucht jedes Land einen eigenen Lehrplan?" fragt die Lehrerin. Würden sich die Länder abstimmen, könnte es durchaus ein Mathematikbuch für alle geben. Ziehen Schüler um, wäre der dort versammelte Stoff eine verlässliche Säule.

Unterschiedliche Schulbücher hemmen bereits die Mobilität innerhalb eines Landes, sagt der Vorsitzende des Bundeselternrats Dieter Dornbusch. "Zieht man in Rheinland-Pfalz um, braucht man gleich neue Bücher." In manchen Ländern kann das teuer werden, wie der ebenfalls im Bundeselternrat engagierte Joachim Klesen berichtet. Im Saarland kämen pro Schuljahr und Kind leicht zwischen 100 und 300 Euro für Bücher zusammen.

Die entscheidenden Mobilitätshemmnisse sieht man im Bundeselternrat wie auch bei der GEW und dem VdS Bildungsmedien aber nicht in den verschiedenen Schulbüchern, sondern in den vielen Schulsystemen und Sprachenfolgen der Länder. Etwa wenn Baden-Württemberg den Schülern an der Rheinschiene Französisch als erste Fremdsprache vorschreiben will - ein Versuch, der gerade vor Gericht gescheitert ist.

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