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Medizin: Zu schnelle Entwicklung ist nicht gut für das Gehirn

Finden sich Nervenzellen zu früh zu einem Netzwerk zusammen, drohen geistige Behinderung oder Autismus.

Immer schön eins nach dem anderen, sonst gerät alles dauerhaft durcheinander – dieser Leitsatz ist anscheinend für das Gehirn von Neugeborenen sehr wichtig. Nervenzellen dürfen daher weder zu schnell noch zu langsam reifen und sich zu Netzwerken zusammenschließen, berichten Neurowissenschaftler um Gavin Rumbaugh vom Scripps Research Institute in Jupiter, Florida, im Fachmagazin „Cell“. Wird das feine Gleichgewicht gestört, drohen geistige Behinderungen oder Autismus.

Rumbough und seine Kollegen haben ein Gen untersucht, das für das Denken zentral ist: SYNGAP1. Ist die Erbinformation in diesem Abschnitt verändert oder fehlt eine Kopie, können sich Intellekt und Sozialverhalten nicht normal entwickeln. Schätzungen zufolge sind weltweit etwa eine Million Menschen davon betroffen. Wie genau Gen, Nervenzellentwicklung und Verhalten zusammenhängen, war jedoch bislang unklar.

Mäuse, denen eine Kopie von SYNGAP1 fehlt, sollten diese Wissenslücke schließen. Die Forscher beobachteten, dass bei neugeborenen Tieren mit diesem Defekt Nervenzellen ungewöhnlich schnell heranreiften, die ihrerseits andere Nervenzellen anregen. Besonders Zellen im Hippokamus – einer Hirnstruktur, die für das Lernen und Erinnern essentiell ist – feuerten deshalb extrem oft und bildeten schon kurz nach der Geburt Netzwerke. „Das macht aber nicht schlauer“, sagt Rumbaugh. „Es stört vielmehr die zeitliche Abfolge von Meilensteinen in der Entwicklung.“ Später waren diese Nervenzellen außerdem nicht mehr so beweglich und wandlungsfähig. Vermutlich konnten die Tiere daher nicht mehr gut auf neue Erfahrungen reagieren.

Entscheidend ist offenbar, ob das Gen während kritischer Entwicklungsphasen mutiert ist. Trat die Erbgutveränderung erst später auf, hatten die Mäuse keinerlei Probleme. Sie waren genauso pfiffig wie normale Artgenossen. Umgekehrt konnten die Forscher eine früh entstandene geistige Behinderung nicht einfach rückgängig machen, indem sie das Gen erwachsener Mäuse reparierten.

„Wir glauben daran, dass eine Heilung möglich ist“, sagt Rumbaugh. Doch dazu müsse der Gendefekt sehr früh entdeckt und behandelt werden.

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