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Nofretete

© Siemens

Nofretete: Ihr zweites Gesicht

Eine neue Computertomografie zeigt Nofretetes wahres Gesicht. Sie hat Falten und Macken.

Die schönste Berlinerin hat Falten und Macken. Und zwar deutlich mehr, als man bislang an ihr wahrgenommen hat. Die Büste der Nofretete aus dem Ägyptischen Museum Berlin, die derzeit im Interimsquartier im Alten Museum Hof hält, bis sie 2009 ins frisch sanierte Neue Museum zurückkehren wird, ist weltberühmt: für ihr scheinbar makelloses Antlitz. Jetzt zeigt eine neue Computertomografie Nofretetes „zweites Gesicht“.

Bereits 1991 war die farbig gefasste Gipsbüste, die um 1340 v. Chr. als Bildhauermodell für Steinporträts geschaffen worden war, erstmals mit einem Computertomograf untersucht worden. Damals entdeckte man, dass der altägyptische Bildhauer Thutmosis die Züge der schönen Gemahlin des Pharaos Echnaton als dünne Gipsschicht über einem Kalksteinkern modelliert hatte. Unter der sichtbaren Nofretete verbirgt sich also eine zweite. Der damalige Stand der Computertechnik erlaubte es allerdings nicht, sich ein allzu präzises Bild vom Steinkern der Skulptur zu machen.

Nun wurde das Experiment wiederholt: Für eine Dokumentation des Fernsehsenders National Geographic, die das ZDF am Sonntag ausgestrahlt hat, durfte die fragile Büste im Imaging Science Institute (ISI) der Berliner Charité unter einem Computertomografen der neuesten Generation erneut gescannt werden. Das Gerät der Firma Siemens Medical Solutions liefert digitale Schnittbilder, die eine sehr genaue Vorstellung von der Büste unter der Büste zulassen. Und die weicht erheblich von der bekannten Oberfläche ab. Nofretetes Kern zeige, so der Direktor des Ägyptischen Museums Dietrich Wildung, „einen dürren langen Hals und schiefe Schultern“. An diesen Partien sowie an der Rückseite der Krone habe der Künstler teilweise eine Gipsschicht von bis zu vier Zentimetern Stärke aufgetragen, um die endgültige Oberfläche zu gestalten. „Ein typischer Prozess im Bildhaueratelier“, so Wildung, der nicht glaubt, dass die Kerndarstellung dem realen Äußeren der Pharaonin mehr entspricht als die schöne Hülle: „Das Porträt, das der Kalksteinkern abbildet, ist nicht sehr charakteristisch. Die Büste selbst wirkt individueller, hat faszinierende Gesichtszüge“, sagt der Ägyptologe.

Neue Perspektiven hat der naturwissenschaftliche Blick allerdings auch bei der Beurteilung der finalen Gipsschicht eröffnet. So wurde unter dem CT entdeckt, dass der Künstler in der Wangenpartie unterhalb der Augen nachträglich ganz zarte Falten in den Gips modelliert hat. „Hier wird die Intention des Künstlers – oder der Auftraggeber Nofretete und Echnaton – unmittelbar nachvollziehbar“, freut sich Wildung. Bei der Präsentation im Alten Museum habe man unmittelbar auf die Entdeckung reagiert. Nofretete werde nun so ausgeleuchtet, dass sie „nicht mehr als das hübsche Mädchen“ erscheint.

Die Skulpturen der Amarnazeit, die zwischen 1350 und 1330 v. Chr. entstanden, stehen ohnehin für einen bis dahin nicht gekannten „Realismus“ der altägyptischen Kunst. Dass Berlin neben dem Ägyptischen Museum Kairo die weltweit bedeutendste Amarna-Sammlung zeigen kann, verdankt sich den Ausgrabungen von Ludwig Borchardt in Tell el-Amarna. Dort wurde 1912 auch Nofretete entdeckt.

Sonntag, 29. 7., um 19.30 Uhr im ZDF: Jäger verlorener Schätze – Die Odyssee der Nofretete

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