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Ölkatastrophe: Große Wolke im Meer

In den Tiefen des Golfs von Mexiko treibt viel Öl. Bislang haben Bakterien nur wenig davon zersetzt.

Die Luftbilder zeigten es eindeutig: Die großen Lachen, die nach dem Ölunfall im Golf von Mexiko schwammen, wurden rasch kleiner. Doch wie es in den tiefen Wasserschichten aussieht, darüber gab es nur vage Vermutungen. Jetzt präsentiert ein Team von Meeresforschern die Ergebnisse einer Expedition, bei der sie im Juni die Umgebung der Unglücksstelle erkundeten. Wie sie in der Online-Ausgabe des Fachjournals „Science“ berichten, schwebt in der Tiefe eine große Wolke aus Öl, mindestens 35 Kilometer lang, an einigen Stellen zwei Kilometer breit und 200 Meter hoch.

Vor allem ein Detail stimmt Richard Camilli und seine Kollegen vom Woods-Hole-Meeresforschungsinstitut nachdenklich: Sie finden dort unten in ein Kilometer Tiefe praktisch keine Hinweise dafür, dass Mikroorganismen die Ölwolke nennenswert abbauen. Zumindest in den Tiefen des Golfs von Mexiko dürfte die orange-braune Brühe noch etliche Monate lang das Ökosystem beeinflussen.

Die Forscher hatten bereits Ende Mai – einen Monat nach der Explosion der Ölbohrinsel – von der US-Küstenwacht die Erlaubnis bekommen, wenige hundert Meter neben der Unglücksstelle das Wasser in der Tiefe genau zu untersuchen. In der Zeit vom 19. bis 28. Juni kamen dann ein ferngesteuertes Roboter-U-Boot sowie an einem langen Kabel hängende Messinstrumente zum Einsatz. Beide waren mit einem Massenspektrometer ausgerüstet, mit dem sich die Konzentration verschiedener chemischer Substanzen erfassen lässt.

Rohöl enthält normalerweise ein Gemisch verschiedener Kohlenwasserstoffe, ungefähr ein Prozent besteht aus bestimmten aromatischen Verbindungen wie Benzol und Toluol, die sich relativ einfach bestimmen lassen. Genau diese „BETX-Fraktion“ untersuchten die Wissenschaftler daher genauer.

Bekannt war, dass Unterwasserströmungen die Wolke jeden Tag rund 6,7 Kilometer weiter tragen. Anhand verschiedener Messungen der BETX-Konzentration an einer Stelle berechneten die Forscher, dass die havarierte Bohrung Tag für Tag 6400 Liter BETX in die Wolke brachte. Da aus dem Bohrloch jeden Tag aber zwischen 8,4 und 9,9 Millionen Liter Öl austraten, die ein Prozent BETX enthielten, landeten nur sechs bis sieben Prozent dieser Substanzen in der Wolke, schreiben Camillis und sein Team. Wo der große Rest bleibt, wissen sie nicht.

Neben BETX wurde auch der Gehalt von Methan bestimmt, das ebenfalls in Erdöl reichlich vorkommt. 35 Kilometer von der Unglücksstelle entfernt gab es noch etwa rund halb so viel Methan wie in 5,8 Kilometer Entfernung. Daraus schließen die Forscher, dass die Wolke sich in 1200 Metern Tiefe noch viel weiter ausdehnt hatte, als es die Messungen zeigten. Die mussten nämlich in 35 Kilometern Entfernung abgebrochen werden, weil der Hurrikan Alex aufzog.

Weitere Daten zeigen: Auch in dieser verhältnismäßig großen Entfernung hatte der Sauerstoffgehalt in der betroffenen Wasserschicht kaum abgenommen. Das bedeutet den Wissenschaftlern zufolge, dass das Öl kaum von spezialisierten Mikroorganismen abgebaut wurde. Denn die Einzeller verbrauchen Sauerstoff. Je mehr es sind, umso schneller sinkt der Gasgehalt. An der Unglücksstelle ist der Effekt aber nicht eingetreten. Offenbar wird das Öl im wenige Grad kalten Wasser nur sehr langsam zersetzt. „Es könnte viele Monate dauern, bis die Mikroorganismen die Ölwolke signifikant abbauen“, schreiben die Forscher.

Für die Organismen der Tiefsee sind das schlechte Nachrichten. Vor allem die BETX-Fraktion ist nicht nur sehr giftig, sondern kann auch Krebs auslösen. Ohnehin ist über die Auswirkungen von Ölwolken in größeren Wassertiefen praktisch nichts bekannt. Tiefseeforscher dürfte die Deepwater-Horizon-Katastrophe also noch lange Zeit beschäftigen.

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