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Schwarzer_Raucher

© laif

Ozeanographie: Ab nach unten

Weite Teile der Tiefsee sind unerforscht. Ein automatischer Tauchroboter soll das ändern.

Auch wenn die Weltmeere vom All aus gesehen blau leuchten - gemessen an dem, was wir über sie wissen, sind es riesige weiße Flecken. "Mehr als 90 Prozent des Meeresbodens sind uns völlig unbekannt", sagt Klas Lackschewitz vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften IFM-Geomar in Kiel. Das liegt vor allem daran, dass die meisten Areale von einer mehreren Kilometer dicken Wasserschicht bedeckt sind. An deren Grund herrscht ein immenser Druck, den nur wenige Messgeräte aushalten. Dementsprechend lückenhaft sind die Informationen aus dem Inneren der Ozeane.

Mit einem neuen Tauchroboter wollen die Kieler Meereswissenschaftler nun wenigstens einen Teil der unerforschten Weiten genauer untersuchen. "Abyss" heißt die knallgelbe Hightechröhre. Der Name steht für "Autonomes benthisches Hydrothermal-Suchsystem". Der vier Meter lange Roboter ist mit zahlreichen Sensoren ausgerüstet, soll bis zu 24 Stunden lang unter Wasser bleiben und unter anderem heiße Quellen aufspüren. "In dieser Zeit kann er 20 bis 30 Quadratkilometer Ozeanboden erkunden", sagt Lackschewitz, der das Abyss-Team leitet. Mit bemannten Tauchbooten oder Unterwasserrobotern, die über ein Kabel mit dem Mutterschiff verbunden sind, sei nur ein Bruchteil der Fläche zu schaffen. "Während Abyss abtaucht, kann das Team an Deck zusätzliche Experimente machen", fügt der Geomar-Wissenschaftler hinzu. Schließlich koste jeder Tag auf einem großen Forschungsschiff rund 30 000 Euro.

Die Hightechröhre taucht 6000 Meter tief

Bevor Abyss im nächsten Frühjahr zur ersten Expedition im Atlantik aufbricht, wird der 2,3 Millionen Euro teure Roboter zurzeit vor den Kanarischen Inseln getestet. Dabei werden unter anderem die Notfallsysteme geprüft: Sollte beispielsweise Wasser ins Batteriefach eindringen, könnte ein Kurzschluss den Roboter außer Kraft setzen. "In diesem Fall übernimmt automatisch eine Notbatterie und es werden Bleigewichte abgeworfen, damit Abyss schnell auftaucht", sagt Lackschewitz. Zudem ist der Roboter mit einem GPS-Empfänger ausgerüstet - so kann er nach dem Auftauchen automatisch seine Position ans Mutterschiff funken, damit ihn die Forscher in den Weiten der See wiederfinden.

Um in die Tiefe vorzudringen, muss der Tauchroboter seine Propeller benutzen, denn er ist so konstruiert, dass er einen minimalen Auftrieb hat. "Das ist wie bei einem Stück Styropor, das auf dem Wasser schwimmt", sagt Lackschewitz. "Sobald man mit dem Finger daraufdrückt, geht es unter." Dieser Auftrieb ist unabhängig von der Tauchtiefe, so dass die Propeller in 100 Meter ebenso viel zu tun haben wie in 6000 Meter. Noch weiter soll Abyss jedoch nicht absinken, weil dann der Druck durch die überlagernde Wassersäule zu groß wäre und die Titanhülle beschädigen könnte.

"Abyss" soll heiße Quellen aufspüren

Eine größere Tiefe ist auch nicht nötig. Denn abgesehen von einigen Tiefseegräben liegt der Grund der meisten Ozeanbecken bei drei bis fünf Kilometern, und die ozeanischen Rücken ragen noch weiter nach oben. Auf diese Gebirgszüge haben es die Forscher vor allem abgesehen. Abyss soll ihnen dort den Weg zu hydrothermalen Quellen zeigen, wo bis zu 400 Grad Celsius heißes Wasser aus dem Gestein austritt. Dabei handelt es sich um Meerwasser, das in den Ozeanboden eindringt, durch heißes Gestein zirkuliert und wieder austritt. Auf diesem Weg nimmt es unterschiedliche Substanzen auf wie zum Beispiel Sulfide, die als dunkle Kruste am Rand der heißen Quellen abgeschieden werden. "Schwarze Raucher", sagen Geologen dazu.

"Die meisten dieser Quellen haben wir durch Zufall entdeckt", sagt Lackschewitz. Abyss mit seinen Sensoren für Temperatur, Leitfähigkeit und Wassertrübung soll nun die Abwasserfahne der Schlote erfassen und zu deren Ursprung führen. So wollen die Forscher herausfinden, wie viele Quellen es überhaupt gibt und wie sie entstehen. "Über die Schlote gelangen riesige Mengen gelöster Stoffe, aber auch Wärmeenergie in die Ozeane", sagt der Meereswissenschaftler. Bislang könne man höchstens erahnen, welche Auswirkungen das auf die Lebewelt in der Tiefsee habe.

Bemannte Tauchfahrten sind umstritten

Derartige Untersuchungen sind mit Abyss allein aber nicht möglich. Der Roboter sammelt nur Messdaten, die nach dem Auftauchen in die Computer der Forscher überspielt werden. Er kann keine Bodenproben nehmen, und auch für Videoaufzeichnung sind Batterie und Speicher zu schwach. Abyss wird deshalb für den groben Überblick zuständig sein, detaillierte Untersuchungen werden dann mit "Kiel 6000" gemacht. Dieser Tauchroboter wird über ein Kabel vom Forschungsschiff aus gesteuert und kann Proben nehmen und filmen.

Ob es darüber hinaus nötig ist, ein bemanntes Tauchboot nach unten zu schicken, werde stark diskutiert, sagt Lackschewitz. "Alle Forscher, die jemals getaucht sind, sagen, dass der räumliche Eindruck vor Ort auch mit den besten 3-D-Projektionen von Kameraaufnahmen nicht zu erreichen sei", berichtet er. Andererseits seien die Sicherheitsanforderungen sehr hoch und damit auch die Kosten für bemannte Fahrten. Objektiv betrachtet müssten sie eingestellt werden, sagt der Wissenschaftler. Aus eigener Erfahrung weiß er aber, wie faszinierend die Reise in die Tiefe ist. "Wenn ich noch einmal die Chance dazu bekäme, würde ich sofort einsteigen."

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