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Im Licht des Erfolgs. Dieter Bimberg, Spezialist für Nanophotonik an der Technischen Universität Berlin, verkaufte eine Erfindung für mehr als 500 000 Euro an eine Halbleiterfirma. Erlöse dieser Größenordnung sind jedoch selten. Foto: TU Berlin/Dahl

© Ulrich Dahl

Patente an den Unis: Tüfteln mit Gewinn

Ein alkoholfreies Bier, das von Holsten gekauft wird. Ein Schiff, das ölverschmutzte Meere reinigt: Eine Agentur vermarktet Erfindungen aus den Berliner Hochschulen. Das Problem: Oft merken die Erfinder gar nicht, dass sie etwas erfunden haben.

Eine Behandlung gegen Karies, ganz ohne Bohrer. Ein Halbleiterbaustein, der mehr als eine halbe Million Euro einbringt. Geschichten, die irgendwie nach Daniel Düsentrieb klingen und mit dem fiktiven Tüftler aus Entenhausen zugleich gar nichts zu tun haben: An den Berliner Hochschulen werden laufend Dinge erfunden. Damit diese nicht im universitären Sumpf versinken, kümmert sich eine eigene Agentur um die Anmeldung und Vermarktung von Patenten – und erreicht dabei teilweise Summen, von denen selbst Dagobert Duck nur träumen konnte.

Mehr als 500 000 Euro erlöste kürzlich eine Erfindung von Dieter Bimberg, Leiter des Zentrums für Nanophotonik an der Technischen Universität, und zweien seiner Mitarbeiter. Das Verfahren verbessert die Effizienz von photonischen Bauelementen, die beispielsweise für LED-Technik verwendet werden. Der Vermarktungsagentur Ipal gelang es, diesen Coup mit einem großen Unternehmen der Halbleiterindustrie einzufädeln. Seit zehn Jahren meldet die Ipal für die Charité, die drei Berliner Unis, die Hochschule für Technik und Wirtschaft und die Beuth-Hochschule für Technik Patente an und vermarktet diese.

Meist hört man davon wenig. Nicht nur, weil Erfinder womöglich den Neid ihrer Nachbarn fürchten, immerhin erhalten sie 30 Prozent des Bruttoerlöses. Im Falle von Dieter Bimberg und seinen Mitarbeitern also gut 150 000 Euro. Meist verlangen die Vertragspartner Stillschweigen. Dieses Mal ist es bewusst anders gelaufen: „Wir wollten mögliche Erfinder dafür sensibilisieren, was sie erreichen können“, sagt der Ipal-Geschäftsführer Dirk Dantz. Das größte Problem sei, dass Erfinder nicht merkten, dass sie etwas erfunden haben.

Summen, wie die von Bimberg und seinen Kollegen, sollten sie jedoch nicht erwarten: So viel Geld ist äußerst selten. Im Jahr 2010 nahmen beispielsweise die Patentverwertungsagenturen aller Bundesländer insgesamt nur 4,9 Millionen Euro ein. Die Agenturen wurden eingerichtet, nachdem 2002 das Hochschullehrerprivileg abgeschafft wurde. Vorher konnten die Professoren ihre Erfindungen selbst anmelden, heute müssen sie diese bei der Hochschule melden. So sollen akademische Ergebnisse schneller und gezielter in die Industrie gebracht werden. „Solch ein Transfer von Knowhow aus der Universität ist nur mit professionellen Strukturen möglich“, sagt Dieter Bimberg. Über die Investitionsbank Berlin finanziert die Stadt einen Teil mit.

An den Unis und den Fachhochschulen gibt es Erfinderberater, die eng mit der Verwertungsagentur zusammenarbeiten. Etwa jede dritte gemeldete Erfindung führt zum Patent. Die Patentverwertungsagentur prüft nicht nur, ob die Erfindung schutzfähig ist, sondern auch, ob es dafür einen Markt geben könnte. „Das ist für uns ganz wichtig“, sagt Dirk Dantz. Aufgabe der Ipal sei nicht, eine wissenschaftliche Leistung zu beurteilen. „Selbst ein Nobelpreisträger könnte bei uns abgelehnt werden.“ In ein Patent steckt die Ipal durchschnittlich 40 000 bis 50 000 Euro. Daher müsse man darauf achten, etwas von den Investitionen zurückzubekommen, sagt Dantz.

23 Mitarbeiter aus verschiedenen Fachrichtungen überprüfen bei der Ipal, ob das Patent am Markt eine Chance hat. Die meisten sind Experten in Pharma- und Biotechnik oder Medizintechnik, denn dort wird am meisten erfunden. Etwa die Hälfte des Umsatzes erzeugt die Ipal in diesen Bereichen. Seit ihrem Bestehen hat sie 489 Patente angemeldet und 117 Verwertungsverträge geschlossen.

Dass viele der Patente letztlich doch wenig oder gar nichts einbringen, liegt daran, dass der Weg von der Erfindung zur Verwertung lang ist. Auch Bimbergs Erfindung stammt schon von 2002. Erst zehn Jahre später zahlt sie sich aus. Laut Dirk Dantz ist das ein normaler Zeitraum, aus dem sich für ihn und seine Mitarbeiter aber große Schwierigkeiten ergeben. „Wir müssen beurteilen, was für den Markt in zehn oder 15 Jahren interessant sein kann“, sagt er. „Oft ist das Kaffeesatzleserei.“

Ein Beispiel: In den 80er Jahren gab es drei Systeme zum Abspielen von Videokassetten. Nicht die beste Technik, sondern das beste Marketing setzte sich am Ende durch. „Das macht die Sache für uns sehr schwierig“, sagt Danz.

Dass die Charité und die TU von den Berliner Hochschulen 80 Prozent der Patente einreichen, liegt an ihren Schwerpunkten. Allerdings könnten auch andere Fachrichtungen noch viel stärker an ihre Innovationskraft glauben, sagt Dirk Dantz. In der Psychologie oder im Produktdesign sieht er noch großes Potenzial. „Und dass sich Software nicht patentieren lässt, ist ein Gerücht."

Anmerkung: An der Erfindung von Dieter Bimberg wirkten auch seine Mitarbeiter mit, was in einer ersten Fassung des Textes nicht ganz deutlich wurde. Der Text wurde dementsprechend ergänzt. Die Red.

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