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In den 1970er Jahren fotografierte Tony Audsley die Ausgrabungsstätte.

© Tony Audsley

Pest auf den Britischen Inseln: Seuche grassierte schon vor 4000 Jahren

Nachweise des Pesterregers aus verschiedenen Gegenden Englands sprechen dafür, dass die Krankheit bereits damals leicht übertragbar war.

Von Lena Johanna Philippi, dpa

Der Erreger der Pest war vor 4000 Jahren nicht nur in Kontinentaleuropa verbreitet, sondern auch schon auf den Britischen Inseln. In zwei Gräbern in verschiedenen Teilen Englands hat ein Team vom Londoner Francis Crick Institute das Bakterium Yersinia pestis bei insgesamt drei Menschen nachgewiesen: zwei Kindern und einer erwachsenen Frau. Die Funde könnten dafür sprechen, dass die Krankheit schon damals leicht übertragbar war, schreibt die Gruppe um Pooja Swali im Fachblatt „Nature Communications“.

Die Arbeit liefert zwar den frühesten Nachweis der Pest für die Britischen Inseln. Kieler Forscher hatten jedoch schon vor zwei Jahren im Fachblatt „Cell Reports“ berichtet, Erbgut des Erregers bei einem Mann gefunden zu haben, der vor gut 5000 Jahren im Gebiet des heutigen Lettlands lebte.

Ungewöhnliche Beisetzung

Das Team um Swali fand den Erreger nun in Überresten von zwei Kindern aus einem Massengrab in Charterhouse Warren in der südwestenglischen Grafschaft Somerset. Die Kinder waren zum Zeitpunkt ihres Todes vermutlich etwa zehn und zwölf Jahre alt. Ein weiterer Nachweis aus jener Zeit stammt aus einem Einzelgrab in Levens aus der nordenglischen Grafschaft Cumbria. Dort war eine 35 bis 40 Jahre alte Frau bestattet. Dass die beiden Fundstätten so weit auseinander liegen, spreche dafür, dass der Pesterreger vor 3700 bis 4300 Jahren im Gebiet des heutigen England schon weit verbreitet war.

Insgesamt hatte das Team Knochen und Zähne von 34 Menschen analysiert. Der Fund zeige, dass dieser Erreger damals in der frühen Bronzezeit nicht auf Kontinentaleuropa beschränkt war, sondern sich bereits auf die Britischen Inseln ausgebreitet habe. Schon damals gab es ausgeprägte Handelsbeziehungen zwischen diesen Regionen.

Interessanterweise fehlte bei den drei Erreger-Genomen das sogenannte ymt-Virulenzgen. Dieses Gen ermöglicht die Übertragung der Pest durch Flöhe. Ein Beispiel für die Übertragung durch Flöhe ist der Ausbruch der Pest im 14. Jahrhundert. Damals starben mehr als 20 Millionen Europäer am Schwarzen Tod.

Der früheste bekannte Yersinia-Stamm, der das ymt-Gen trägt, sei im Westen der eurasischen Steppe gefunden und auf ein Alter von 3800 Jahren datiert worden, schreiben die Autoren. Die zeitliche Nähe zu den nun vorgestellten Funden deute darauf hin, dass das ymt-Gen damals noch unterschiedlich häufig vorhanden war.

Wie schwer Krankheitsverläufe durch frühe Pesterreger waren, ist bisher nicht geklärt. Die Forscher vermuten, dass die Menschen in dem Massengrab in Charterhouse Warren nicht an der Pest starben. Denn bei einem Großteil der Bestatteten fanden die Wissenschaftler Spuren von Gewalteinwirkung. Möglicherweise waren zumindest die beiden Kinder nur mit dem Pesterreger infiziert, als sie umkamen.

„Die in dem Massengrab von Charterhouse vertretenen Individuen hatten eine ungewöhnliche Form der Beisetzung“, schreibt die Gruppe. Man könnte annehmen, dass diese eine Reaktion auf einen lokalen Pestausbruch war, ähnlich wie die Massengräber, die im mittelalterlichen Europa als Reaktion auf die Epidemie des Schwarzen Todes auftreten. Doch Belege für tödliche Verletzungen unter den Beigesetzten machen es unwahrscheinlich, dass dieses Massengrab auf einen tödlichen Pestausbruch hin entstanden sei.

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