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Der Prototyp eines niedlichen Babys neben dem Prototyp eines weniger niedlichen Babygesichts.

© Uni Bern/J. Lobmaier

Psychologie der Niedlichkeit: Ist das süß!

Frauen wissen, welches von zwei Babys niedlicher ist. Besonders in den Tagen rund um den Eisprung.

Ein hässliches Baby sei ein sehr garstiges Ding, schrieb einst Queen Victoria (1819–1901), Mutter von neun Kindern: „Ich mag sie lieber, wenn sie nett und hübsch sind.“ Das britische Boulevardblatt „Daily Mail“ nannte sie daraufhin „Grumpiest Granny of all“.

Doch die miesepetrige Oma scheint mit ihrer Einstellung nicht allein zu sein: Vor einigen Jahren stellten US-Forscher fest, dass attraktive Neugeborene von ihren Müttern liebevoller behandelt werden als weniger attraktive. Der Verhaltensbiologe Konrad Lorenz vermutete schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts, dass bestimmte Merkmale im Gesicht von Kindern die Bindung zu ihren Eltern beeinflussen – vor allem ein im Vergleich zum Körper großer Kopf, große Augen und runde Pausbäckchen. Lorenz prägte dafür den Begriff „Kindchenschema“.

Besonders empfindlicher Niedlichkeitssensor

Je mehr ein Kind diesem Schema entspricht, desto süßer finden wir es in der Regel – Frauen wie Männer gleichermaßen. Allerdings scheint bei geschlechtsreifen Frauen der Niedlichkeitssensor besonders empfindlich zu sein, vor allem in der Zeit rund um den Eisprung. In diese Richtung deuten zumindest Arbeiten des Psychologen Janek Lobmaier vom Institut für Psychologie der Universität Bern.

Lobmaier fertigte aus Fotos von Säuglingsgesichtern mithilfe einer Spezialsoftware eine etwas niedlichere und eine etwas weniger niedliche Variante. Die manipulierten Bildpaare legte er Frauen vor und bat sie, das jeweils süßere Gesicht zu wählen. In den Tagen rund um den Eisprung lagen die Frauen mit ihrer Einschätzung besonders häufig richtig. Schon vor einigen Jahren hatte Lobmaier zeigen können, dass Frauen bei dieser Aufgabe besser abschneiden als Männer, dieser Performance-Unterschied nach der Menopause aber verschwindet. Für die Schwankungen des weiblichen Niedlichkeitssensors ist offenbar das Hormon Oxytocin verantwortlich, spekuliert Lobmaier in der aktuellen Arbeit, die im Fachjournal „Hormones and Behavior“ erschien. Der Oxytocinspiegel der Frau schwankt im Laufe des Zyklus und ist rund um den Eisprung am höchsten.

Niedlich heißt überlebensfähig

Auch nach der Geburt wird Oxytocin ausgeschüttet. Möglicherweise haben daher Mütter in den Tagen nach der Geburt ein besonders gutes Auge für die Niedlichkeit ihres Nachwuchses. „Man vermutet, dass süße Babys eine bessere genetische Ausstattung mitbringen als weniger süße“, sagt Lobmaier. „In den Zeiten, in denen unsere Vorfahren lebten, waren Ressourcen wie Nahrung häufig knapp. Es war sinnvoll, die besonders niedlichen Kinder besser zu versorgen.“

Die Wiener Anthropologieprofessorin Katrin Schaefer hält diese Erklärung für wenig überzeugend. „Wir wissen aus dem Tierreich, aber auch vom Menschen, dass in extremen Notlagen die jüngeren Kinder von ihren Eltern als erste geopfert werden“, sagt sie. „In die Jüngsten wurde noch am wenigsten investiert.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass sie überleben, sei ohnehin geringer. Waren unsere Vorfahren gezwungen, sich zwischen Säugling oder Dreijährigem zu entscheiden, war es daher sinnvoller, das ältere Kind zu wählen. „Ältere Kinder sind aber in der Regel weniger süß als Babys – einfach nach Niedlichkeit zu wählen, erscheint aus evolutiver Sicht daher wenig sinnvoll.“ Ohnehin seien die in der Studie gefundenen Empfindlichkeitsschwankungen eher klein. „Möglicherweise ist das Phänomen biologisch ohne jede Bedeutung“, sagt Schäfer.

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