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Auf geht’s. Die Rakete „Langer Marsch“ brachte das Modul in den Orbit. Foto: Reuters

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Raumfahrt: Chinas größter Sprung

Rakete bringt Testmodul für einen bemannten Außenposten ins All

Auf dem Weg zu einem dauerhaft besetzten Außenposten im All ist China einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Gestern Nachmittag um 15.15 Uhr startete eine Trägerrakete vom Weltraumbahnhof Jiuquan im Nordwesten des Landes und brachte das unbemannte Modul „Tiangong-1“ („Himmelspalast“) in eine Erdumlaufbahn. Die zehn Meter lange Konstruktion soll zwei Jahre lang im Orbit bleiben und für verschiedene Tests genutzt werden, die in dem Bau einer chinesischen Raumstation von 2016 an münden.

Mit dem erfolgreichen Start macht das Land im Osten einmal mehr klar, welche Rolle es in der bemannten Raumfahrt spielen will – und kann. Jahrzehntelang dominierten Russland und Amerika das Treiben im Erdorbit, unterstützt von Europa, Kanada und Japan, die aber nicht über eigene Transportmöglichkeiten für Astronauten verfügen und sich Mitfluggelegenheiten teuer erkauften. China wurde wenig beachtet und werkelte an eigener Technik, die maßgeblich auf der russischen aufbaut. 2003 verließ der erste Taikonaut für 21 Stunden die Erde. Ihm folgten fünf weitere Chinesen, im September 2008 gelang auch ein Ausstieg ins All.

Während die bemannte Raumfahrt des Westens nach der Stilllegung der amerikanischen Spaceshuttles, Problemen mit der russischen „Sojus“-Rakete und steigendem Kostendruck derzeit eine eher depressive Phase durchmacht, läuft es für China besser. Mit dem fliegenden Palast beginnt eine neue Ära. Nach kürzeren Ausflügen der Taikonauten soll nun eine Raumstation her, die dauerhaft bewohnt ist. Tiangong-1 ist die Testplattform für die damit verbundene Technik.

Dabei geht es zunächst um Andockmanöver. Die Kopplung ist eine wesentliche Herausforderung auf dem Weg zu einer Raumstation. Wer das Rendezvous zweier Objekte, die mit rund 28 000 Kilometern pro Stunde um die Erde rasen, beherrscht, kann aus mehren Einzelteilen eine Station zusammenpuzzeln und Fracht- oder Crew-Raumschiffe dort anlegen lassen.

Um das zu testen soll am am 1. November das unbemannte Raumschiff „Shenzhou-8“ starten und zwei Tage später am Himmelspalast andocken, berichtet das Internetmagazin „Nasaspaceflight.com“. Die nachfolgend geplanten Flüge von Shenzhou-9 und -10 sind ebenfalls für Kopplungstests in 350 Kilometern Höhe vorgesehen, wobei mindestens eine der beiden Missionen bemannt erfolgen soll. Die Taikonauten werden den Angaben zufolge höchstens zwei Wochen im Wohn- und Arbeitsmodul bleiben. Es ist etwas mehr als drei Meter lang und befindet sich in Flugrichtung vorn am Himmelspalast. Die Innenwände sind farblich verschieden gestaltet, um den Taikonauten immer vor Augen zu halten, wo der Himmel und wo die Erde ist. Neben Steuerungssystemen, Kommunikations- und Unterhaltungstechnik enthält dieser Abschnitt noch zwei Schlafabteile.

Der zweite Teil des 8,5 Tonnen schweren Raummoduls enthält Treibstoff für die Triebwerke und trägt zwei Solarpanels, mit deren Hilfe Strom erzeugt wird. 2013 soll der Himmelspalast dann gezielt zum Absturz gebracht werden. Für das darauffolgende Jahr plant China, das Modul Tiangong-2 zu starten. Darin sollen auch Technik zum Aufbereiten von Wasser und Luft enthalten sein. Um 2016 soll schließlich Tiangong-3 in den Orbit gebracht werden, der bereits über zwei Kopplungsstutzen verfügen wird. Bis zum Jahr 2020 soll eine permanent besetzte Raumstation entstehen, die aus mehreren Einzelteilen zusammengesetzt ist und rund 60 Tonnen wiegt. Zum Vergleich: Die russische Station „Mir“ wog 140 Tonnen, die Internationale Raumstation ISS hat 370 Tonnen.

Ob der Zeitplan zu halten ist, kann keiner sagen. Immer wieder kommt es in der Raumfahrt zu Rückschlägen, die es erforderlich machen, Konzepte zu überarbeiten. Das gilt ebenso für China, wenn auch das Land bisher die Technik – und das Glück – hatte, dass alle Taikonauten gesund zur Erde zurückkehrten. Dennoch funktioniert nicht alles reibungslos. So war der Start des Himmelspalasts ursprünglich für Anfang September geplant. Er musste aber verschoben werden, weil am 18. August eine Rakete eines ähnlichen Typs abgestürzt war. Nachdem der Fehler im Kontrollsystem der kleinen Steuerungsraketen entdeckt worden war, wurde die Rakete für Tiangong 1 entsprechend verbessert.

Nun ist das Modul am Himmel. Langfristig geht es China aber nicht nur um eine nationale Raumstation. Immer wieder sondieren Vertreter, ob sich das Land auf der ISS einbringen kann. „Wenn die Chinesen zeigen können, dass sie ein gut funktionierendes Andocksystem haben, dann gibt ihnen das die Möglichkeit, eines Tages auch an der ISS festzumachen“, sagte Isabelle Sourbès-Verger vom französischen Forschungszentrum CNRS der Nachrichtenagentur AFP. Sie glaube jedoch nicht, dass das in den kommenden fünf Jahren der Fall sein werde.

Weitaus höher als die technischen Hürden dürften die politischen sein. Immer wieder ist zu hören, dass die Amerikaner eine Beteiligung der Chinesen auf der Internationalen Raumstation von Grund auf ablehnen. (mit dpa, AFP)

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