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Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien in Berlin bietet viele Veranstaltungen an, um Forschungsprojekte zu Gesellschaft und Politik der breiten Öffentlichkeit .

© David Ausserhofer

Russland droht: Berliner Osteuropa-Zentrum zur „unerwünschten Organisation“ erklärt

Für russische Bürger ist es fortan potenziell strafbar, an Projekten oder Events des Berliner Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien teilzunehmen. Was bedeutet das für die Einrichtung und ihre Mitarbeitenden?

Russland hat das Berliner Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (Zois) zur „unerwünschten Organisation“ erklärt. Dies teilte das vom Auswärtigen Amt geförderte Forschungszentrum vergangenen Freitag per Mitteilung auf seiner Website mit. Das Zois ist die erste deutsche Wissenschaftseinrichtung auf der Verbotsliste der russischen Generalstaatsanwaltschaft. Diese enthält über hundert Nichtregierungsorganisationen, Institute und Think-Tanks, darunter Greenpeace, die Heinrich-Böll-Stiftung und das private Bard College in New York.

„Unerwünscht“ bedeutet: Wer einen russischen Pass hat und mit den verbotenen Einrichtungen im In- oder Ausland Kontakt, dem können Geld- oder Haftstrafen drohen.

Betroffen von dieser Erklärung seien am Zois „einige Mitarbeitende mit russischem Pass oder deutschem und russischem Pass“, sagte die Direktorin Gwendolyn Sasse dem Tagesspiegel. Eine genaue Anzahl könne sie zum Schutz der Personen nicht nennen.

Schon vor dem Verbot hätten sich am Institut arbeitenden russische beziehungsweise deutsch-russische Wissenschaftler:innen „über ihre Forschung politisch klar gegen den Krieg und allgemein kritisch gegenüber dem politischen System positioniert“. Damit seien sie im Fall einer Rückkehr in die Heimat gefährdet – für die meisten käme dies auch so nicht mehr infrage. Schwieriger sei die Lage für studentische Hilfskräfte, „die noch am Anfang ihres Weges stehen und eventuell nach einer Zeit wieder zurück zu ihren Familien in Russland müssen“, betont Sasse.

Das ist ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit.

Gwendolyn Sasse, Direktorin am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien zum Verbot durch Russland

Stellt die Erklärung seitens des russischen Staats gegenüber dem deutschen Forschungszentrum vor allem eine Drohgebärde dar? Sasse zufolge ist unklar, ob das Gesetz in jedem Einzelfall verfolgt wird, wenn ein russischer Staatsangehöriger nach Kontakt mit einer verbotenen Organisation nach Russland einreist. Das zumindest sei ihr Kenntnisstand nach Austausch mit anderen gelisteten NGOs. „Doch gerade diese Ungewissheit dient zur Abschreckung.“

Überhaupt sei der Status nicht zu verharmlosen, findet die Politikwissenschaftlerin: „Das ist ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit.“ Ihr Zentrum stehe nun vor der Entscheidung: „Müssen wir vor jeder Veranstaltung oder Konferenz vorwarnen, dass russische Staatsbürger oder jene mit doppeltem Pass sich oder ihre Familie in der Heimat gefährden, wenn sie teilnehmen?“

Zudem könnte der neue Status auch Forschung in Deutschland einschränken. Im März erst veröffentlichte das Zois eine Studie zu migrierten Aktivist:innen, die sich in Georgien und Deutschland gegen den Krieg einsetzen. Solche Forschung nennt Sasse als Beispiel für Projekte, die nun weiter erschwert werden. Mit gefährdeten Personen in Kontakt zu kommen, um Interviews zu führen, sei für Sozialforschende ohnehin nicht einfach.

Die Tatsache, dass man Wissenschaftler:in einer von Russland verbotenen Organisation sei, könnte nun zur weiteren Hürde für die Feld- und Meinungsforschung über die russische Diaspora werden.

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