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Feinstaub

© dpa

Rußpartikel: Verdächtige Winzlinge

Moderne Dieselmotoren stoßen nur winzige Rußpartikel aus - doch gerade die können schädlich sein.

Was Dieselautos in die Luft blasen, gilt seit langem als gefährlich. Die Rußteilchen können sich in der Lunge festsetzen und Krankheiten hervorrufen. Eine Möglichkeit, den Ausstoß zu entschärfen, sind Rußpartikelfilter. Ein anderer Weg ist es, Motoren zu konstruieren, die bereits bei der Verbrennung weniger Ruß erzeugen. So wird in Abgasnormen verlangt, dass die Schadstoffe in Maschinen neuester Bauart gar nicht oder nur noch in sehr geringen Mengen entstehen.

Die Konstrukteure hatten Erfolg. Statt ölig schwarzer Dieselschwaden entweicht aus dem Auspuff eines modernen Dieselautos oder Lkw fast nur noch ein wenig Wasserdampf. Doch bedeutet weniger Dieselruß tatsächlich auch weniger Gefahren für Umwelt und Gesundheit? Zweifel äußern jetzt Robert Schlögl und Dang Sheng Su vom Berliner Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft im Fachjournal „Environmental Science & Technology“. An dem Dahlemer Institut forschte auch Gerhard Ertl, Chemienobelpreisträger des Jahres 2007.

„Moderne Dieselmotoren blasen tatsächlich viel weniger Ruß in die Luft“, sagt der Chemiker Schlögl. Früher hatten Motoren Bereiche mit niedrigerer Temperatur oder geringerem Sauerstoffgehalt, in denen der Diesel nicht vollständig verbrannte und sich Ruß aus den Spritresten bildete. Der Verbrennungsraum moderner Maschinen hat dagegen nahezu gleichmäßige Temperaturen und Sauerstoffkonzentrationen. Diese optimierten Motoren erzeugen nur noch winzige Mengen an Ruß.

Das ist zweifellos eine gute Nachricht, denn Ruß kann das Risiko für Lungenkrebs erhöhen. Dennoch gibt es keine Entwarnung. „Um die Wirkung des immer noch entstehenden Rußes auf lebendige Zellen hat sich kaum jemand gekümmert“, erklärt Schlögl. Es bestehe der Verdacht, der Ruß aus modernen Motoren könnte anders reagieren als der Dieselqualm früherer Jahre.

So haben die Rußteilchen herkömmlicher Motoren einen Durchmesser von 35 Nanometern (Millionstelmillimeter). Aus dem Auspuff moderner Dieselmaschinen kommen dagegen erheblich kleinere Partikel mit zehn bis 15 Nanometern Durchmesser. Über die Wirkung solcher Nanopartikel in der Umwelt ist aber wenig bekannt. Einen Grund für diese Wissenslücke nennt Schlögl: „Es ist sehr schwer, ausreichende Mengen solcher Nano-Rußpartikel für Experimente zu erhalten.“

Im Fritz-Haber-Institut haben Su und Kollegen eine Reihe physikalisch-chemischer Methoden entwickelt, um auch geringste Mengen an Nano-Ruß analysieren zu können. Sie konnten zeigen, dass Nano-Ruß nicht nur viel kleiner ist als herkömmlicher Dieselruß, sondern auch ganz anders aussieht. Beide Arten von Partikeln bauen sich aus winzigen Plättchen auf. Bei herkömmlichem Dieselruß sind sie völlig eben. Die Nanoteilchen aus modernen Motoren sind dagegen kräftig gebogen und wirken eher rund.

Solche Deformationen lassen bei physikalischen Chemikern die Alarmglocken schrillen. „Das deutet auf eine fehlerhafte Struktur hin“, sagt Schlögl. Mit Hilfe der Spektroskopie erkannten die Forscher, dass sich auf der Oberfläche der Nano-Teilchen viele Strukturen befinden, die Sauerstoff enthalten. Das wiederum erhärtet den Verdacht, die winzigen Partikel könnten schneller und heftiger reagieren als herkömmlicher Ruß aus dem Auspuff von Dieselfahrzeugen.

Die Berliner Forscher kennen auch den Grund für die Verformungen. Da bei der optimierten Verbrennung in modernen Motoren die Bereiche mit wenig Sauerstoff und niedriger Temperatur fehlen, in denen früher sich bildender Ruß relativ viel Zeit zum Ausreifen hatte, bildet sich Nano-Ruß schneller. So bleiben die Teilchen nicht nur kleiner, sie häufen auch viel mehr Deformationen an. Bei ihren Untersuchungen kämpften die Forscher mit einem Problem. Keine Wand ist dicht genug, um die Nano-Teilchen aufzuhalten. Das erschwere nicht nur die Analyse, sondern erhöhe auch die Gefährlichkeit, erklärt Schlögl. „Einmal im Organismus angelangt, dringt der Nano-Ruß problemlos durch die Wände von Blutgefäßen; auch Zellwände sind kaum ein Hindernis.“ Genügend Zeit für gefährliche Reaktionen hat der Nano-Ruß obendrein. Denn während sich Ruß aus alten Motoren schon nach wenigen Minuten aus der Luft auf den Boden absetzt, schweben die Nanoteilchen tagelang in der Luft. Solche Teilchen existieren in der Natur sonst nicht.

Gemeinsam mit Kollegen vom Institut für Neurobiologie und molekulare Medizin in Rom haben die Max-Planck-Forscher nun Rußpartikel aus einem älteren Dieselmotor und einem modernen Sechszylinder mit 6,9 Liter Hubraum, Turboladung und 228 Kilowatt Leistung isoliert. Anschließend wurden die Partikel auf Makrophagen geleitet. Diese Fresszellen des Immunsystems dienen dazu, gefährliche Eindringlinge im Körper unschädlich zu machen. Die Forscher hatten sie aus einer Blutspende von Freiwilligen gewonnen.

Das Ergebnis: Viel häufiger als bei normalem Ruß starben die Makrophagen ab, wenn sie mit deformierten Nano-Rußpartikeln aus modernen Dieselmotoren behandelt wurden. Je nach Konzentration der Partikel stieg die Rate auf das Zwei- bis Dreifache. Solche Reaktionen deuten darauf hin, dass der Nano-Ruß im menschlichen Körper Entzündungsreaktionen auslösen und giftig wirken könnte. Ob das wirklich so ist, müssen erst weitere Experimente zeigen. Trotz dieser potenziellen Gefährlichkeit hat Schlögl auch eine gute Nachricht: Weil Nano-Ruß so reaktiv ist, sollte es auch gelingen, ihn in Filtern zu vernichten, bevor er in der Umwelt Schaden anrichten kann. Entsprechende Methoden müssten aber erst noch entwickelt werden.

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