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Sabine Kunst, Präsidentin der Humboldt-Universität.

©  Paul Zinken/dpa

Sabine Kunst stellt sich an der HU zur Wiederwahl: Eine, die anpackt – und bei Studierenden aneckt

Sabine Kunst stellt sich in der kommenden Woche an der der Humboldt-Uni zur Wiederwahl als Präsidentin. Nicht alle sind dafür, wie eine Anhörung an der Uni zeigt.

So eine Anhörung vor einer Präsidentschaftswahl hat die Humboldt-Universität noch nie gesehen. Wegen der Corona-Beschränkungen trafen sich die Mitglieder des Konzils, des Wahlgremiums, am Dienstag nicht im ehrwürdigen Senatssaal der HU, sondern digital auf Zoom.

Amtsinhaberin Sabine Kunst, die sich am kommenden Dienstag als einzige Kandidatin zur Wahl stellt, war aus ihrem Amtszimmer zugeschaltet. In ihrem Rücken ein Porträt Alexander von Humboldts. Eine Reminiszenz an die Geschichte der von Wilhelm von Humboldt gegründeten, aber nach beiden Brüdern benannten Universität. Auch wenn Kunst im Alltagsgeschäft anders als ihre Vorgänger eher selten die „Mutter der modernen Universität“ bemüht, um ihre Entscheidungen zu bekräftigen.

Im Wahlgremium haben die Professoren dieses Mal nicht die Mehrheit

Die Abstimmung könnte auch aus anderen Gründen eine besondere werden. Würde Kunst wiedergewählt, wäre sie nach der Wende die erste Präsidentin, die eine zweite Amtszeit antritt (wiedergewählt wurde einst auch Jürgen Mlynek, doch der verzichtete kurz darauf und verließ die HU zur Helmholtz-Gemeinschaft)

Zudem sind die Machtverhältnisse im Konzil zumindest bemerkenswert. Da einige Sitze der Professorenschaft unbesetzt sind, hat diese anders als sonst nicht die absolute Mehrheit der Stimmen. Kunst ist also auch auf Stimmen aus den anderen Statusgruppen angewiesen, wenn sie gewählt werden möchte: Die absolute Mehrheit unter den Konzilsmitgliedern ist im ersten Wahlgang nötig und auch in einem zweiten, sollte die Mehrheit beim ersten Mal verfehlt werden.*

Und während sich die Professorinnen und Professoren während der Anhörung mit Fragen und Anmerkungen eher zurückhielten, äußerten sich andere Uniangehörige durchaus kritisch zu Kunst.

Doch der Reihe nach. Kunst begann mit einem Dank an alle Gruppen – Studierende, Professorinnen und Professoren, wissenschaftliche Mitarbeitende und Mitarbeitende in der Verwaltung und der Technik –  für den „enormen Einsatz“ in der Corona-Pandemie. Sie sei sich der immensen Belastungen bewusst, sagte Kunst und appellierte an den Gemeinschaftssinn: „Es zeigt sich, dass Sie und alle die Humboldt sind.“

"Verabschieden von der Papieruniversität"

In den vergangenen Jahren sei ein „gewaltiger Reformprozess“ angestoßen worden, in dem die HU noch immer mittendrin stecke, bilanzierte Kunst ihre bisherige Amtszeit. Dazu gehöre insbesondere eine Neuaufstellung der Verwaltung: „Wir verabschieden uns von der Papieruniversität.“

Kunst hob unter anderem Erfolge in der Exzellenzstrategie, bei der Frauenförderung und bei der Internationalisierung hervor. Sie gab aber auch zu, dass sie gerade in den Gesprächen mit Unimitgliedern noch „viele Mängel“ berichtet bekommen habe: etwa bei den Finanzen und bei der Kommunikation, die teilweise „konfliktbeladen“ sei.

Der Campus Mitte der HU (Archivbild). Die drei HU-Campi will Kunst weiterentwickeln.
Der Campus Mitte der HU (Archivbild). Die drei HU-Campi will Kunst weiterentwickeln.

© imago/Seeliger

Vieles sei also auf einem guten Weg, auch wenn noch einige Schritte zu gehen seien: „Es wäre mir eine Freude, für die Zukunftsfestigkeit dieser, auch meiner Humboldt zu arbeiten.“ Für eine zweite Amtszeit nannte sie mehrere Schwerpunkte – wie die Digitalisierung der Lehre („wir müssen die Krise als Chance begreifen“), die Entwicklung der drei HU-Campi zu „interdisziplinären Forschungslandschaften“ mit noch akzentuierteren fachlichen Schwerpunkten. Dafür könne sie sich vorstellen, einen Vizepräsidentenposten für Campus- und Infrastrukturentwicklung zu schaffen, kündigte Kunst an.

Weitere Schwerpunkte seien etwa eine Stärkung der Kommunikation nach innen und nach außen und die Umsetzung des Personalentwicklungskonzeptes.

Ein Vertreter des Mittelbaus fühlt sich nicht gewertschätzt

In der Aussprache kamen zunächst Fragen der wissenschaftlichen Mitarbeitenden auf. Der Theologe Reinhard Flogaus etwa wollte wissen, ob Kunst tragfähige Konzepte zur besseren Förderung dieser Gruppe habe: „Wir haben den Eindruck, der Mittelbau scheint bei Ihnen keine größere Rolle zu spielen.“ Die Romanistin Maren Huberty forderte eine schnellere und unbürokratischere Verlängerung von Verträgen im Rahmen der Coronakrise.

Den zentralen Raum nahm aber der Konflikt des Präsidiums mit den Studierendenvertretern des RefRats ein. Diese sind immer wieder mit Kunst aneinandergeraten, sie brachten daher bereits einen – letztlich erfolglosen – Abwahlantrag ein. Dabei ging es beispielsweise um die vom Präsidium angeordnete Räumung studentisch besetzter Gebäude. Auch in der Anhörung erhoben die Studierenden schwere Vorwürfe. „Ich sehe keine Grundlage, auf der man zusammenarbeiten können wird“, sagte Juliane Ziegler. Kunst verbreite ein „Klima der Angst“, ergänzte Bengt Rüstemeier: „Sie werden gegen die größte Statusgruppe regieren.“ 

Fundamentale Opposition der Studierenden

Kunst gab zwar zu, womöglich manchmal „überreagiert“ zu haben. Gespräche führen so lange es geht? „Da bin ich bei Ihnen, da muss ich mich verbessern.“ Auch insgesamt stellte sie in Aussicht, kontinuierlicher als bisher das Gespräch mit allen Gruppen zu suchen, vor allem im Rahmen von regelmäßigen Fakultätsbesuchen.

Insgesamt blieb aber der Eindruck, dass die Situation zwischen dem Präsidium und den Studierendenvertretern völlig verfahren ist – was durchaus auch die Professorenschaft besorgt. So wollte die Psychologin Jule Specht wissen, wie Kunst die Kommunikation systematisch verbessern wolle.

"An dieser Uni wird etwas vorangebracht"

Ob das letztlich bei der Wahl eine entscheidende Rolle spielt, bleibt abzuwarten. Unter den Professorinnen und Professoren genießt Kunst hohes Ansehen, ist immer wieder zu hören. Viele sind auch froh, dass unter Kunsts Leitung Rücktritte, Rücktrittsdrohungen und Interimslösungen im Präsidium anders als früher kein Thema sind, die HU den Ruf der vermeintlichen Unregierbarkeit abgestreift hat.

Die Biophysikerin Susanne Schreiber sagte denn auch zum Schluss, sie wolle endlich etwas Positives sagen: „Ich bin sehr zufrieden, dass so viel angepackt worden ist. An dieser Uni wird etwas vorangebracht, auch wenn es manchmal schwierig ist.“

*Anmerkung der Redaktion: Zunächst hatten wir fälschlicherweise berichtet, im zweiten Wahlgang sei nur die relative Mehrheit der Stimmen nötig. Wir haben den Fehler berichtigt und bitten ihn zu entschuldigen.

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