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Deutschland gehört zu den zehn Ländern, die am stärksten vom Verlust kalter Wintertage betroffen sind. Schnee ist am ehesten noch in den Mittelgebirgen und Alpen zu erwarten – hier im Dezember 2023 in Marktoberdorf, Allgäu.

© imago/Action Pictures/imago

Update

Schnee an Heiligabend?: Im Bergland bleibt es spannend

Durch den Klimawandel sind in Deutschland in den letzten zehn Jahren 18 Wintertage weggefallen, zeigt eine Analyse. Auch weiße Weihnachten sind im Flachland selten geworden. Und wie wird es in diesem Jahr?

Stand:

Der Traum von der weißen Weihnacht verblasst – und das schneller als manchem lieb ist. Die Schneedecke, die früher oft den Winter prägte, ist in Deutschland seit den 1980er Jahren zur Ausnahme geworden. Auch an den Weihnachtsfeiertagen bleibt Schnee im Flachland eine Seltenheit: Die Wahrscheinlichkeit für weiße Weihnachten liegt dort ohnehin nur bei rund zehn Prozent, im Nordosten immerhin noch bei bis zu 20 Prozent.

Meteorologen gehen davon aus, dass wir uns wegen des Klimawandels bald nur noch alle zehn Jahre über verschneite Feiertage freuen können. Die Winter sind inzwischen im Durchschnitt ein bis zwei Grad wärmer als früher, und der Erwärmungstrend beschleunigt sich.

Weiße Weihnachten erwarten Meteorologen aufgrund des Klimawandels in Zukunft nur noch etwa alle zehn Jahre.

© dpa/Matthias Bein

Eine aktuelle Untersuchung belegt nun, dass Kälte und Schnee im Winter in Deutschland immer seltener wird. Der menschengemachte Klimawandel hat demnach dazu geführt, dass Deutschland in den letzten zehn Jahren ganze 18 Tage im Winter mit Temperaturen unter null Grad verloren hat. Das zeigen aktuelle Daten der gemeinnützigen Organisation Climate Central. Temperaturen, die kalt genug sind, damit Schnee fällt und liegen bleibt, treten immer seltener auf.

Alarmierende Ergebnisse

Die Studie zeigt, wie der Temperaturanstieg infolge des Klimawandels zu einem dramatischen Rückgang der Frosttage in den Monaten Dezember bis Februar führt. Die Analyse, die das letzte Jahrzehnt (2014-2023) in 123 Ländern der Nordhalbkugel umfasst, hat ergeben, dass in mehr als einem Drittel (44) der untersuchten Länder mindestens sieben Frosttage weniger pro Jahr gezählt wurden als noch 2013. Besonders betroffen ist Europa: Deutschland liegt demnach auf Platz sieben der zehn Länder, in denen die Zahl der kalten Wintertage am stärksten abgenommen hat.

Bis Heiligabend könnte es in diesem Jahr in den Alpen und Mittelgebirgen für Schnee reichen, in Brandenburg allerdings nur für nasse Flocken.  Hier ein Weihnachtsmann im Dezember 2012 in Mellensee südlich von Berlin.

© dpa/Patrick Pleul

Die Auswirkungen sind laut Climate Central weitreichend: Winterliche Kälte spielt nicht nur für die Schneedecke eine entscheidende Rolle, die eine wichtige Quelle für Süßwasser ist. Der Verlust kalter Wintertage beeinflusst auch Lebenszyklen von Pflanzen, Tieren und Insekten und hat Konsequenzen für ganze Ökosysteme. Auch die menschliche Gesundheit leidet unter den Folgen: Längere Pollenflugzeiten belasten Allergiker:innen zusätzlich.

Hotspot in Deutschland

„Laut unserer Analyse gehört Deutschland zu den zehn Ländern, die am stärksten vom Verlust kalter Wintertage betroffen sind“, sagte Kristina Dahl, Vizepräsidentin und wissenschaftliche Leitung von Climate Central. In den letzten zehn Jahren gab es demnach in Deutschland mehr als zwei zusätzliche Wochen mit Tagen über null Grad Celsius, verglichen mit einer Welt ohne Klimawandel. „Wenn wir weiterhin Öl, Kohle und Gas verbrennen, sind wir auf dem besten Weg, den Winter, wie wir ihn kennen, zu verlieren – mit verheerenden Folgen für Mensch und Tierwelt“, so Kristina Dahl.

Der Trost, den wir im Wechsel der Jahreszeiten, im Anblick verschneiter Berge oder in der Stille des ersten Schneefalls finden, ist fundamental.

Eckart von Hirschhausen, Mediziner und Gründer der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen

Die Studie zeigt, dass der Klimawandel in vielen europäischen Ländern zu deutlich milderen Wintern führt. Die Zahl der Tage im Winter mit Temperaturen über dem Gefrierpunkt nimmt vor allem in Nord- und Osteuropa zu. Dänemark, Estland, Lettland und Litauen verzeichnen mehr als drei zusätzliche Wochen mit Temperaturen über null Grad pro Jahr.

Auch in Deutschland, Polen und Tschechien sind es nun mindestens zwei Wochen pro Jahr. Weitere Länder wie Italien, Frankreich, Norwegen sowie Staaten in Asien, darunter Afghanistan und Japan, erleben ein bis zwei Wochen mehr dieser milden Wintertage.

In Deutschland sind mindestens zwei zusätzliche Wochen pro Jahr mit Temperaturen über null Grad zu verzeichnen. Auch in Berlin ist Schnee selten geworden.

© imago images/Shotshop/Philipp Dase via www.imago-images.de

Besonders betroffen sind Städte wie Bergen (Norwegen), Riga (Lettland) oder Fuji (Japan): Hier gibt es im Vergleich zu früher mehr als einen Monat mehr Tage im Winter, an denen die Temperaturen nicht unter den Gefrierpunkt fallen. Insgesamt zeigen Statistiken, dass 35 Städte in Europa und Asien mindestens drei Wochen mehr milde Wintertage pro Jahr haben. Diese Entwicklung unterstreicht laut Clima Central die gravierenden Auswirkungen des Klimawandels auf die kältesten Jahreszeiten.

Folgen für Gesundheit und Natur

Die Folgen des wärmeren Wetters sind vielfältig: So leidet laut Clima Central vor allem auch die Wasserversorgung unter den milderen Wintern. Weniger Schnee in den Bergen bedeutet weniger Schmelzwasser im Frühjahr, das für die Bewässerung der Felder und das Auffüllen der Stauseen benötigt wird. Außerdem begünstigen wärmere Winter die Vermehrung von krankheitsübertragenden Schädlingen wie Mücken und Zecken, was das Gesundheitsrisiko erhöht.

Ein weiterer Effekt ist die Verlängerung der Vegetationsperiode. Früheres Tauwetter und spätere Herbstfröste verlängern die Wachstumsperiode der Pflanzen, führen aber auch zu einer früheren Pollenfreisetzung und damit zu verstärkten Allergien. Auch Obst- und Nusskulturen leiden: Sie brauchen Winterkälte für eine gesunde Entwicklung. Milder Frost in frühen Wachstumsphasen kann zudem junge Pflanzen schädigen.

Nicht zuletzt auch ist die milliardenschwere Wintersportindustrie durch steigende Temperaturen und Schneemangel stark gefährdet. Experten sprechen von einer „düsteren Zukunft“ für Ski- und Snowboardgebiete.

Spürbare Veränderungen

Der Medizinjournalist Eckart von Hirschhausen, Gründer der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen, erwähnte in diesem Zusammenhang auch, dass zu warme Winter eine zusätzliche Belastung für unsere körperliche und seelische Gesundheit darstellen.

„Das spüren heute schon Menschen mit Allergien oder Patient:innen mit der hauptsächlich durch Zecken übertragenen Frühsommer-Meningoenzephalitis FSME, die bereits im Januar auftritt“. Auch Borreliose nehme stark zu, weil sich die Zecken im zu milden Winter vermehren. 

Schnee hat auch eine psychologische Wirkung: Der Anblick verschneiter Berge und die Stille des Schneefalls spende Trost, meint der Mediziner Eckart von Hirschhausen.

© dpa/Matthias Bein

Nicht zu unterschätzen sei aber auch die psychologische Wirkung des Schneefalls. „Der Trost, den wir im Wechsel der Jahreszeiten, im Anblick verschneiter Berge oder in der Stille des ersten Schneefalls finden, ist fundamental“, so Eckart von Hirschhausen.

Doch gerade an den Weihnachtstagen wird Schnee in Deutschland immer seltener, wie auch der Deutsche Wetterdienst (DWD) bestätigt. Die Wahrscheinlichkeit für weiße Weinachten sei im Vergleich zu den Jahren 1961 bis 1990 um gut die Hälfte gesunken.

Die Abnahme von Frost- und Schneetagen verändert nicht nur unsere Landschaft, sondern hat auch weitreichende Folgen für unsere Gesundheit und Lebensgrundlagen. Für die Klimaaktivistin Luisa Neubauer von Fridays For Future ist das ein deutlicher Weckruf: „Die Klimakrise ist da, und die Menschen müssen es wissen.“ Ihre Botschaft ist klar: Eine Politik, die die Klimakrise als weit entferntes Problem darstellt, gefährdet nicht nur unsere Umwelt, sondern auch unsere Zukunft.

Schneit es in diesem Jahr an Weihnachten?

Auch in diesem Jahr rechnen die Meteorologen damit, dass der Winter insgesamt ein bis zwei Grad wärmer wird als im Mittel der Jahre 1991 bis 2020 – und eher trocken. Sind weiße Weihnachten damit vom Tisch? Nicht unbedingt, Schnee in den Bergen und in Süddeutschland ist immer noch möglich.

Weisse Weihnachten in Berlin

© Grafik: Tagesspiegel/Ille | Quelle: Deutscher Wetterdienst/DWD

Nach einer sehr milden Woche und einem stürmischen Donnerstag kann es in der Nacht auf Freitag und dann Sonntag und Montag im Süden und in höheren Lagen noch einmal schneien. Für Weihnachten bleibt es in diesem Jahr spannend, bis dahin ist zumindest für einige Landesteile noch vieles offen.

Es sieht momentan danach aus, dass zumindest dem südlichen und südöstlichen Bergland der bis dato gefallene Schnee auch bis Heiligabend erhalten bleiben könnte.

Tanja Egerer, DWD-Meteorologin

Derzeit zeichnet sich über Deutschland eine Luftmassengrenze zwischen kalt und warm ab, die kurz vor Heiligabend in den Mittelgebirgen, an den Alpen und im Südosten noch einmal kräftig Schnee bringen könnte. Der DWD rechnet in seiner Vorhersage vom 18. Dezember am kommenden Montag mit zahlreichen Regen- und Schneeschauern, die oberhalb von 400 Metern als Schnee fallen. In den Alpen soll es länger anhaltend schneien. In der Nacht zu Heiligabend sollen die Niederschläge von Norden her nachlassen, im Süden bleibt es oberhalb von 200 bis 400 Metern bei Schnee.

Im Schwarzwald, in den Alpen, im Bayerischen Wald, in Nordostbayern und im Erzgebirge sind je nach Wettermodell mehr als zehn Zentimeter Neuschnee möglich, in den Mittelgebirgen einige Zentimeter, in Staulagen auch 10 bis 20 Zentimeter. In den Nordalpen können im Nordstau 10 bis 30 Zentimeter, oberhalb von 1000 Metern sogar 40 bis 100 Zentimeter Neuschnee fallen – für den Wintersport also perfekte Aussichten. Die Alpen werden vor Weihnachten geradezu mit Schnee zugeschüttet.

Die Chancen auf Schnee an Weihnachten sind auch in diesem Jahr regional sehr unterschiedlich: Während Meteorologen für München 20 Prozent erwarten, sind es für Berlin und Hamburg nur noch zwei Prozent, für Köln sogar weniger als ein Prozent. „Bezüglich Weihnachtswetter sieht es momentan danach aus, dass zumindest dem südlichen und südöstlichen Bergland der bis dato gefallene Schnee auch bis Heiligabend erhalten bleiben könnte“, so die DWD-Meteorologin Tanja Egerer. Im Flachland hingen dürfte es gerade mal für ein paar nasse Flocken reichen.

Nach Weihnachten wird es dann voraussichtlich wieder milder. An Heiligabend setzt von Nordwesten her Niederschlag ein, meist bis in höhere Lagen als Regen, im Süden noch oberhalb 600 Meter als Schnee, die Schneefallgrenze steigt auf 1000 Meter.

Weiß wird es in diesem Jahr also nur im Süden und in den östlichen Mittelgebirgen. Und über die Weihnachtsfeiertage taut in tieferen Lagen das meiste wieder weg. Eine ausgeprägte winterliche Wetterlage zeichnet sich aus heutiger Sicht bis zum Jahresende nicht mehr ab. Aber abwarten – genaue Schneeprognosen sind ohnehin erst maximal drei bis fünf Tage im Voraus möglich.

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