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Oberflächlich. Vor der Direktorenvilla des früheren Anthropologie-Instituts wird gegraben.

© MPG

Skelettreste auf FU-Campus: Die FU gräbt nah am Fundort der Knochen

Die Freie Universität Berlin gräbt wieder nahe des Fundorts der menschlichen Knochen. Ohne archäologische Begleitung: Für die FU gibt es keinen Zusammenhang mit den Skelettresten. Ein Gedenkstein lässt auf sich warten.

Die Freie Universität Berlin gräbt wieder nahe des Fundorts der menschlichen Knochen, die neben der Universitätsbibliothek entdeckt worden waren. Boden wird großflächig ausgehoben, zu sehen sind auch zwei Aufschüttungen. Neue Untersuchungen, die mehr Licht in das nicht abschließend geklärte Rätsel der Funde von vor einem Jahr bringen sollen?

Neben dem Fundort: Das KWI für Eugenik

Wie berichtet alarmierte eine Baufirma, die einen Sickerschacht an der Unibibliothek ausgehoben und auf Knochenfragmente gestoßen war, damals die Polizei. Die beauftragte, wie üblich bei solchen Funden, ein rechtsmedizinisches Gutachten bei der Charité. Es ergab, dass es sich um stark verwitterte, mehrere Jahrzehnte alte Knochen von mindestens 15 Erwachsenen und Kindern handele. Das zuständige Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin ließ sie daraufhin einäschern und bestatten.

Doch dicht neben dem Fundort lag einst das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie und Eugenik, wo im Zweiten Weltkrieg Knochen und Organe untersucht wurden, die KZ-Arzt Josef Mengele aus Auschwitz schickte. Dies wurde in der Rechtsmedizin zunächst nicht berücksichtigt, im Nachhinein hieß es, man sei nicht über die mögliche Herkunft der Knochen informiert gewesen. Als die Vorgänge Ende 2014, Anfang 2015 öffentlich wurden, war es wegen der bereits erfolgten routinemäßigen Einäscherung zu spät für genauere Untersuchungen. Die Freie Universität, die Max-Planck-Gesellschaft als Rechtsnachfolgerin des KWI und die Rechtsmedizin wiesen sich gegenseitig die Schuld dafür zu.

Die im vergangenen Jahr gefundenen Knochenreste.

© Polizei

Für die FU gibt es keinen Zusammenhang der neuerlichen Bauarbeiten mit den heiklen Funden. Es handele sich lediglich um die Neugestaltung der Außenanlage der ehemaligen Direktorenvilla des Kaiser-Wilhelm-Instituts, dem heutigen Sitz des Centers für digitale Systeme der FU (Cedis). Die bisher mit Gras bewachsene Fläche solle neu mit Bodendeckern und Rasen bepflanzt werden, sagte eine Sprecherin der Universität. Das Gelände befinde sich nordöstlich des Fundorts der Knochen.

Wären womöglich mehr Spuren zu finden?

Kein Grund also zur Sorge, hier könnte Erdreich bewegt werden, in dem womöglich noch mehr Spuren aus der NS-Zeit oder auch aus der Kolonialzeit zu finden wären? Die FU-Sprecherin erklärt, es würden „oberflächliche Arbeiten“ bis zu höchstens 15 Zentimetern Tiefe vorgenommen. Bei den aufgeschütteten Haufen, die dort lagerten, handele es sich um extra angefahrenes Material wie Pflanzgranulat und Mutterboden. Wegen der räumlichen Nähe zum Fundort der Menschenknochen sei aber dennoch die zuständige Mitarbeiterin des Landesdenkmalamts befragt worden. Demnach könnten die Arbeiten ohne eine archäologische Baubegleitung erfolgen. Als im Juni unter der Harnackstraße, und damit näher am Fundort, eine Rohrleitung ausgetauscht wurde, habe es eine solche Begleitung gegeben. Der beauftragte Archäologe habe keine weiteren Knochen gefunden.

Einen Gedenkstein gibt es noch nicht

Und wie es geht es am unmittelbaren Fundort weiter? Im Januar hatte die FU-Leitung bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer der verbrecherischen Forschung im Nationalsozialismus angekündigt, dort einen Gedenkstein zu errichten. Darüber hinaus werde ein Expertenkreis einberufen, der zu den Knochenfunden und einem möglichen Zusammenhang mit der Arbeit des Anthropologie- und Eugenik-Instituts forschen solle.

Die Arbeitsgruppe sei eingesetzt und werde „zu gegebener Zeit“ über die Ergebnisse – die Aufarbeitung des Fundes von 2014, mögliche weitere Bodenuntersuchungen und das Erinnerungsprojekt – berichten, sagte die Sprecherin. Auch Ergebnisse weiterer Untersuchungen, zu denen der Leiter der Rechtsmedizin, Michael Tsokos, Holocaust-Experten aufgerufen hatte, stehen noch aus. Amory Burchard

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