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International ging es vor Corona an der Viadrina in Frankfurt zu - im digitalen Semester sieht das anders aus. 

© Patrick Pleul, picture alliance / dpa

Studieren in der Coronakrise: Bundesregierung bleibt bei Einreisestopp

Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland dürfen nicht nach Deutschland einreisen, wenn ihr Studium ausschließlich digital stattfindet. 

Trotz vielstimmiger Kritik am Einreisestopp für ausländische Studierende, die wegen Corona nur digitale Lehrveranstaltungen belegen können, bleibt es vorerst bei der restriktiven Regelung. Ob und inwiefern Lockerungen möglich sind, hänge von der Entwicklung der Pandemie ab, sagte Markus Lammert vom Bundesinnenministerium dem Tagesspiegel am Montag.

„Die Einreisebeschränkungen sind eine zeitlich befristete Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Gesundheit.“ Wichtigstes Ziel sei, die weitere Eindämmung der Pandemie zu sichern. Ausländischen Studierenden, die nicht aus der EU kommen, bleibt damit die Einreise nach Deutschland im Wintersemester verwehrt, wenn sie nicht nachweisen können, dass für ihren Studiengang eine Präsenzpflicht besteht.

Bescheinigungen über Präsenzstudium nötig

„Die Einreise zu einem Online- oder Fernstudium ist weiterhin nicht vorgesehen“, heißt es in der Antwort des Bundesbildungsministeriums auf eine Anfrage der Grünen. Sowohl im Visaverfahren als auch bei Grenzkontrollen werden demnach Bescheinigungen über ein Präsenzstudium gefordert. Betroffen sind nicht Studierende, die schon in Deutschland sind oder bereits ein Visum haben, sondern Studierende, die sich neu für ein Studium in Deutschland bewerben.

US-Präsident Donald Trump wollte ausländische Studierende ausweisen.
US-Präsident Donald Trump wollte ausländische Studierende ausweisen.

© Nicholas Kamm / AFP

Das Vorgehen der Bundesregierung stößt auf Kritik, gab es doch einen lauten Aufschrei, als US-Präsident Donald Trump im Juli angedroht hatte, ausländische Studierende auszuweisen, die ihr Studium auch online absolvieren können.

Die mittlerweile wieder zurückgenommene Regelung der USA hatte auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) scharf kritisiert: „Wissenschaft und Forschung leben vom Austausch, gerade vom internationalen Austausch“, erklärte sie. Das müsse auch in Zeiten der Pandemie gelten.

Die Grünen sprechen von Doppelmoral

Die Grünen bemängeln, dass Deutschland nun ähnlich restriktiv vorgehe, wie es die USA geplant hatten. Der Grünen-Abgeordnete Kai Gehring, der die Anfrage an das Bundesbildungsministerium gestellt hatte, sprach von „Doppelmoral“. Die Kritik wird im Innenministeriums zurückgewiesen: „Die in den USA diskutierte Ausweisung von Studierenden, die bereits über einen Aufenthaltstitel verfügen und sich im Land aufhalten, war in Deutschland nie ein Thema“, sagte Markus Lammert.

Wer bereits eine Aufenthaltserlaubnis habe, dürfe auch nach einer Ausreise etwa in den Semesterferien wieder einreisen. Für Studierende mit einem Visum, das aufgrund der Einreisebeschränkungen nicht genutzt werden konnte und jetzt abgelaufen ist, gebe es bei gleichbleibendem Aufenthaltszweck und -ort ein vereinfachtes Verfahren für ein neues Visum.

Beschränkungen bereits seit 17. März 

Wegen der in der Corona-Pandemie verhängten Grenzsperrungen konnten ausländische Studierende aus Drittstaaten bereits seit dem 17. März nicht mehr einreisen. Dies wurde für Studiengänge mit ausschließlich digitalem Angebot Anfang Juli verlängert. 

Das gilt laut Innenministerium allerdings nicht für Studierende aus Staaten mit geringem Infektionsgeschehen, wie aktuell beispielsweise Australien, Georgien, Kanada und Neuseeland. Studierende aus Ländern von der entsprechenden „Positivliste“ dürften auch ohne Präsenznachweis einreisen, ebenso wie generell Studierende aus EU-Ländern.

FDP-Bildungsexperte Jens Brandenburg erklärte, die Bundesregierung lege mit ihrer „bürokratischen Engstirnigkeit die Axt an den internationalen Studierendenaustausch“. Nach Donald Trump erpresse nun offenbar auch die Bundesregierung weltoffene Hochschulen mit einem Einreisestopp für ihre Studierenden. Bundesbildungsministerin Karliczek müsse „die internationale Wissenschaftsmobilität selbstbewusst verteidigen“.

Der studentische Bundesverband fzs fordert die Bundesregierung auf, die Einreisebestimmungen für internationale Studierende anzupassen. Es dürfe nicht sein, dass Studierenden ein Visum verweigert werde, nur weil ihre Hochschulkurse coronabedingt online stattfinden. Grünen-Politiker Kai Gehring bezeichnete es als eine „irrige Annahme“, dass ein Studienaufenthalt nur für den Besuch von Vorlesungen und Seminaren gedacht sei. Austausch dient auch dazu, Kultur und Gesellschaft des Gastlandes kennenzulernen“, erklärte er.

HRK: Einreise im Einzelfall prüfen

Bei der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) sieht man die Angelegenheit weniger problematisch. Denn nach dem umfassend digitalen Sommersemester würden die Hochschulen im Wintersemester eine Mischung aus Präsenz- und digitaler Lehre anstreben, erklärte ein HRK-Sprecher. Die HRK plädiert zudem dafür, die Notwendigkeit einer Einreise im Einzelfall zu prüfen.

Die HRK hat den Hochschulen zum Nachweis der Notwendigkeit der Präsenz in Deutschland gemeinsam mit dem Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD) und in Abstimmung mit den zuständigen Ministerien Muster für Bescheinigungen für internationale Studierende und Forschende zur Verfügung gestellt, die bereits eingesetzt werden. Die Hochschulen ermöglichen damit, dass ihre internationalen Studierenden ein Visum erhalten und ihr Studium in Deutschland regulär aufnehmen können. 

„Rein virtuelle Studiengänge wären nötigenfalls ohne Einreise studierbar. Aber natürlich lebt ein Studium im Ausland vom direkten Austausch und den persönlichen Begegnungen auch jenseits der Seminarräume einer Hochschule“, sagte HRK-Präsident Peter-André Alt am Dienstag. Wo immer ein Präsenzbetrieb derzeit im Rahmen der gebotenen Schutzmaßnahmen ermöglicht wird, müsse daher sichergestellt sein, dass internationale Studierenden uneingeschränkten Zugang und entsprechende Visa erhalten.

Die Berliner Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten (LKRP) reagierte recht kritisch. Christian Thomsen, Präsident der TU Berlin und LKRP-Vorsitzender, sagte dem Tagesspiegel, dass man die neue Visaregelung nicht begrüße. Es sei doch hilfreich für die Studierenden, in Deutschland zu sein: „Sie erleben unsere Kultur, den Austausch und erlernen die Sprache.“

[Erneutes Digitalsemester? Was Hochschulen bundesweit zum Wintersemester planen, lesen Sie hier: "Die Uni darf nicht zum Corona-Hotspot werden"]

Auch das gehöre zur Bildung von jungen Menschen unbedingt dazu. „Wir benötigen eine Visa-Politik in Deutschland, die weiterhin die Wichtigkeit des internationalen Austausches und die Fachkräftegewinnung unterstützt: Für unseren Standort ist das essentiell.“ Thomsen kündigte zudem an, dass die Berliner Hochschulen so viel Präsenzveranstaltungen wie unter Pandemiebedingungen möglich anbieten wollen.

TU Berlin: Wieder Lehrveranstaltungen mit Präsenz

An der TU Berlin solle in jedem Studiengang ein gewisser Anteil an Lehrveranstaltungen beziehungsweise Prüfungen in Präsenz stattfinden. Dafür werde die Hochschule eine personalisierte, allgemeingültige Bescheinigung zur Verfügung stellen, die auch für den Visaantrag gelten soll.

„Diese verweist darauf, dass die TU Berlin eine Präsenzuniversität ist und unter Wahrung der Schutz- und Hygienemaßnahmen neben Digitalangeboten im Wintersemester 2020/2021 Präsenzveranstaltungen anbieten wird“, erklärte Sprecherin Susanne Cholodnicki. 

Studierenden der Freien Universität Berlin aus reisebeschränkten Ländern, die eine entsprechende Bescheinigung benötigen, soll bei Bedarf ein pauschaler Nachweis von der Studierendenverwaltung der FU ausgestellt werden, erklärte die Pressestelle der FU. Die Freie Universität strebe zusammen mit den anderen Berliner Hochschulen für das kommende Wintersemester, dessen Vorlesungszeit am 2. November beginnt, eine Mischung aus digitaler Lehre und Präsenzlehrbetrieb an. Es stehe noch nicht fest, ob ein Studium vollkommen - inklusive AGs und Prüfungen - online stattfinden wird.  „Wir gehen derzeit davon aus, dass in den meisten Studiengängen, auch wenn ein Großteil digital stattfinden wird, ebenfalls Präsenzveranstaltungen durchgeführt werden“ , sagte Goran Krstin, Pressesprecher des FU-Präsidenten, dem Tagesspiegel. 

Die Universität Potsdam verwies darauf, dass das neue Semester als Hybridsemester geplant werde, zudem könnten auch bei Onlinelehre Prüfungen in Präsenz stattfinden. „Es liegt im besonderen Interesse der Universität, Studierenden aus dem Ausland ein Studium in Potsdam zu ermöglichen“, teilte eine Sprecherin mit. Die Potsdamer Universität bestätigt Studierenden aus dem Ausland die Notwendigkeit der Anwesenheit in Deutschland zum Zweck des Studiums mit einem Schreiben. Das mit der HRK und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) abgestimmte Schreiben beziehe sich auf den Studiengang bzw. das Studium im Wintersemester 2020/21 allgemein, nicht auf einzelne Veranstaltungen.

Probleme bei der Visa-Vergabe

Für viele Studierende aus dem Ausland ist es derzeit problematisch ein Visum zu erhalten, da einige deutsche Konsulate(z.B. in Ägypten, im Iran, in Indien) geschlossen haben bzw. keine Termine vergeben, berichte die FU. Dieser Umstand sei sowohl für die Studierenden als auch für den Studienstandort Deutschland von großem Nachteil. 

Die HRK befürchtet in diesem Zusammenhang einen Engpass bei der Einreise von internationalen Studierenden. In vielen Ländern könnten durch nur eingeschränkt tätige oder gar geschlossene deutsche Konsulate erhebliche Probleme bei der Beantragung und Bewilligung von Visa entstehen. Aus Sicht der HRK sei es daher sehr wichtig, dass hier die notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden: „Die Internationalität an den deutschen Hochschulen muss auch in diesen schwierigen Zeiten erhalten bleiben.“

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