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Unser Kolumnist George Turner.

© Mike Wolff

Turners Thesen: Lehrer nur nach Bedarf ausbilden

Gestern zu viele Lehrkräfte, heute zu wenige? Die Lösung liegt darin, Absolventen nach dem Fachstudium flexibel ins Referendariat aufzunehmen, meint unser Kolumnist.

Wieder einmal ist das Geschrei groß: Allenthalben fehlen Lehrer; einige Länder stellen 50 Prozent Quereinsteiger ein. Man kann wetten, dass es in fünf bis sechs Jahren heißen wird, ausgebildete Lehrer stehen auf der Straße. Das ist die typische Entwicklung, die der Agrarwirtschaft bestens bekannt ist – der Schweinezyklus.

Zunächst einmal muss man sich wundern, dass die Zuständigen über die eingetretene Situation überrascht sind. Wenn es irgendwo Daten gibt, die Aussagen jedenfalls ein paar Jahre im Voraus möglich machen, dann ist es der Lehrerbedarf. Mindestens sechs Jahre bevor Erstklässler „den Ernst des Lebens“ kennenlernen, sind sie geboren. Anstehende Pensionierungen sind bekannt; Zahlen von vorzeitig aus dem Dienst Ausscheidenden lassen sich wenigstens schätzungsweise einplanen.

Lehrermangel, mehr Studierende - und alles von vorne

Der Zustrom von Migrantenkindern kann als Ausrede nicht herhalten. Auch sonst kam es zu der Wellenbewegung: Es mangelt an Lehrern – für den Beruf wird geworben; die Zahl der Studierenden nimmt zu – es gibt mehr Absolventen als Stellen vorhanden sind und vor dem Studium wird gewarnt. Und alles wieder von vorne.

Das Grundproblem der immer wiederkehrenden Problematik liegt darin, dass Ausbildung und Berufsausübung beim Lehramt nicht, wie in allen anderen staatlichen Tätigkeitsbereichen, entkoppelt sind. Noch während der eigenen Schulzeit ist die Berufswahl zu treffen. Danach befindet man sich in einer Einbahnstraße. Ein Ausweichen auf andere Tätigkeiten als den Lehrerberuf ist schwierig.

Eine radikale Lösung wäre, das Lehramtsstudium aufzugeben und Bewerber mit einem Bachelor- oder Masterabschluss, abhängig vom Bedarf, in den Vorbereitungsdienst aufzunehmen. In der Zeit wird nicht nur das pädagogische Rüstzeug vermittelt, sondern auch (unter anderem durch Selbstprüfung) festgestellt, ob die Eignung für den Beruf gegeben ist.

Trennung von Ausbildung und alternativlosem Berufsstart

Die Lehrerausbildung ist dann keine Sackgasse mehr – man hat ja bereits einen Abschluss. So lässt sich auch das Dilemma des Wechsels von Überangebot und Mangel lösen. Das derzeitige System bedeutet: Herrscht Mangel, wird jeder genommen, unabhängig von der pädagogischen Eignung. Gibt es zu viele Bewerber auf eine begrenzte Zahl von Stellen, bleibt auch befähigten Absolventen der Einstieg in den Beruf verschlossen. Die Trennung von Ausbildung und so gut wie alternativlosem Berufsstart hätte auch den Vorteil, dass der Staat aus dem Dilemma befreit wäre, als Monopolist für die Absolventen krampfhaft Abhilfe schaffen zu müssen.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail senden: george.turner@t-online.de

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