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An einem Podiumstisch sitzen zwei Männer und eine Frau, über ihnen die Bilder von zwei Nobelpreisträgern.

© Claudio Bresciani/TT News Agency/AP/dpa

Turners Thesen: Nobelpreise lassen sich nicht züchten

Mehr Nobelpreisträger mit der Exzellenzstrategie? Diese Rechnung geht nicht auf, meint unser Kolumnist. Forschende brauchen vor allem Ruhe, auch vor Reformen.

Gerade ist die diesjährige Verkündung der Preisträger verhallt, da melden sich diejenigen, die nichts mit dem Gewinn zu tun haben. Da die prämierten Leistungen oft vor Jahrzehnten erbracht worden sind, gebührt der Ruhm nicht einmal zu einem kleinen Teil den aktuellen Managern der Einrichtungen, an denen die Leistungen erbracht worden sind. Das war in der Regel die Zeit der sogenannten Ordinarienherrschaft von gestern und nicht die der „unternehmerischen Universität“ von heute.

Vermutlich wird es künftig auch nicht eine Exzellenzuniversität sein, die Nobelpreisträger hervorbringt. Die sind zwar von der Politik in der Erwartung eingerichtet worden, dass deutsche Wissenschaftler den Anschluss an die Weltspitze erreichen. Die Saat geht aber frühestens in zwanzig Jahren auf – oder gar nicht.

Verkannt wurde dabei nämlich, dass wissenschaftliche Exzellenz nicht im Verordnungswege zu schaffen ist, sondern allein von der scientific community bestimmt wird.

Erfreulich, dass Deutschland 2021 mit zwei Preisträgern dabei ist

Die aber sitzt nicht mehr im Zentrum Europas, sondern vor allem an den West- und Ostküsten der USA. Wer glaubt, dass bei Nominierungen für Preise nicht auch Regionen und Schulen mit ihren Vertretern eine Rolle spielen, übersieht fachliche Beziehungen und das persönliche Moment bei solchen Verfahren. Umso beachtlicher und erfreulicher, dass Deutschland dieses Mal mit zwei herausragenden Wissenschaftlern ganz vorne dabei ist.

Ein Porträtbild von George Turner.
Wer mit dem Autor George Turner diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schicken: george.turner@t-online.de

© Tsp

Verkannt werden darf aber auch nicht, dass es neben der gewürdigten Arbeit auch andere gibt, die fast oder sogar das gleiche Niveau erreichen wie die ausgezeichnete Forschung. Das mindert nicht die Auszeichnung, macht aber deutlich, wie eng die Konkurrenz sein kann. Umso verblüffender ist es, wenn angenommen wird, man könne herausragende Leistungen durch eine (Exzellenz-)Strategie züchten.

Wichtig hingegen ist, dass Forscher in Ruhe arbeiten können, dass sie nicht durch ständige Vorgaben – wie Novellen zu Hochschulgesetzen – abgelenkt, womöglich sogar gestört werden.

Insofern ist das zur Zeit in der Diskussion befindliche neue Berliner Hochschulgesetz besonders ärgerlich und überflüssig. Da will Berlin einerseits mit seinem nicht zu übersehenden Potenzial andere deutsche Regionen (wie München und Heidelberg) ausstechen, verrennt sich andererseits aber in dem Gestrüpp kleinteiliger Regelungen über Mitbestimmung und Teilhabe.

Nicht die Universität wird ausgezeichnet, deren kollektives Regelwerk am fortschrittlichsten ist, sondern die individuelle Leistung einzelner Forscher (m/w). Das macht die Verleihung, auch für vor Jahren erbrachte Leistungen, erneut einsichtig. Wenn auch die für die Wissenschaft in Berlin Verantwortlichen das erkennen würden, könnte so vielleicht sogar der Boden für Nobelpreise bereitet werden.

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