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Drosophila melanogaster ist ein gängiger Modellorganismus zur Untersuchung von sexueller Selektion und Evolution.

© Stefan Lüpold, UZH

Verführerische Gene: Wie Fruchtfliegen-Weibchen ihre Partner wählen

Besonders gute oder besonders passende Gene: Was ist für Fruchtfliegen-Weibchen wichtiger bei der Partnerwahl? Tatsächlich spielen beide Faktoren in einem komplexen Prozess eine Rolle.

Von Alice Lanzke, dpa

Weibliche Fruchtfliegen achten bei der Partnerwahl sowohl auf die Qualität der Gene, welche die Männchen mitbringen, als auch darauf, wie gut deren Gene zu den eigenen passen. Das berichten Forscher der Universität Zürich im Fachblatt „Science Advances“. Allerdings sind die beiden Faktoren an unterschiedlichen Punkten im Fortpflanzungsprozess von Bedeutung. Das entdeckte das Forschungsteam, als es fluoreszierend markierte Spermien verfolgte.

Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster) gelten als meistuntersuchte Tiere der Welt. Auch das Paarungsverhalten der Insekten wurde bereits dutzendfach unter die Lupe genommen sowie die Faktoren, nach denen Fruchtfliegen-Weibchen ihre Partner auswählen.

Warum es wichtig ist, solche Entscheidungen zu verstehen, erläutert der Züricher Evolutionsbiologe Stefan Lüpold in einer Mitteilung seiner Uni: „Die Prozesse, die der Partnerwahl zugrunde liegen, beeinflussen die Evolution männlicher Geschlechtsmerkmale und damit die Variation innerhalb einer Population – nicht nur bei Fliegen.“

Lüpold und sein Team ließen Fruchtfliegen-Männchen um die Gunst von Weibchen buhlen. Die genetisch gezielt veränderten Männchen unterschieden sich zum einen in der Qualität ihrer Gene und zum anderen in der genetischen Kompatibilität mit den Zielweibchen. Die Forschenden verfolgten dann den gesamten Fortpflanzungsprozess – von den Spermien im weiblichen Genitaltrakt bis hin zu den Ergebnissen der Vaterschaft – mithilfe von fluoreszierend markierten Spermien.

Die Untersuchung ergab, dass beide Faktoren die Fortpflanzung beeinflussen, allerdings mit sich verändernder Bedeutung. So berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass grundsätzlich die Männchen mit den qualitativ hochwertigen Genen bessere Chancen auf eine erfolgreiche Paarung hätten.

Mithilfe von fluoreszierend markierten Spermien verfolgten die Forscher den Fortpflanzungsprozess.
Mithilfe von fluoreszierend markierten Spermien verfolgten die Forscher den Fortpflanzungsprozess.

© Stefan Lüpold, UZH

Das bedeute aber nicht, dass ihnen der Fortpflanzungserfolg sicher sei: Fruchtfliegen-Weibchen paarten sich routinemäßig mit mehreren Männchen und stießen nach der Paarung einen Teil der aufgenommenen Spermien wieder aus. Auf diese Weise könnten sie nach der eigentlichen Paarung beeinflussen, wessen Spermien am ehesten zur Befruchtung führen.

Die Prozesse, die der Partnerwahl zugrunde liegen, beeinflussen die Evolution männlicher Geschlechtsmerkmale und damit die Variation innerhalb einer Population – nicht nur bei Fliegen.

Stefan Lüpold, Evolutionsbiologe an der Universität Zürich

Bevorzugte Spermien bekommen mehr Zeit

Wie das Forschungsteam darlegt, scheint sich jener Spermienauswurf bei den Weibchen zu verzögern, wenn ein Männchen eine bessere Genqualität oder eine höhere Genkompatibilität aufweist als sein Vorgänger. Diese Verzögerung führt dazu, dass die bevorzugten Spermien mehr Zeit haben, in die Speicherorgane zu gelangen und die dort bereits vorhandenen Spermien der Rivalen zu verdrängen – das komplexe Zusammenspiel dieser Vorgänge wirkt sich schließlich auf die Vaterschaft aus.

„Unsere Resultate deuten darauf hin, dass Fruchtfliegen-Weibchen in den verschiedenen Stadien des Fortpflanzungsprozesses unterschiedliche Kriterien anwenden, um das Ergebnis ihrer Paarungsaktivität zu beeinflussen“, sagt Evolutionsbiologe Lüpold. „Mit der Wahl ihrer Partner können sie die Genqualität vorselektieren, um dann über das Ausstoßen respektive das bevorzugte Speichern von Spermien sicherzustellen, dass unter diesen Männchen die kompatibelsten zum Zuge kommen. Dieses Vorgehen ermöglicht eine raffinierte Kombination beider Faktoren.“

Laut Lüpold bietet die Studie neue Einblicke in die Mechanismen und Folgen der Partnerwahl: „Sie hilft uns besser zu verstehen, wie Gene weitergegeben werden, wie die genetische Variation innerhalb von Arten erhalten bleibt und letztlich auch, wie neue Arten entstehen.“

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