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Die Erwärmung verschiebt das Geschlechterverhältnis des Nachwuchses der Grünen Meeresschildkröte, sodass an einigen Stränden fast nur noch Weibchen schlüpfen.

© D. Brumbaugh, CBC-AMNH

Vernetzt verloren: Kaskadeneffekte im Artensterben

Computersimulationen zeigen, dass Landnutzung und Klimawandel die Biodiversitätskrise erheblich verschärfen werden. Ein Modell berechnet, wie das Aussterben einzelner Arten weitere gefährdet.

Bis zum Jahr 2050 werden nach einer neuen Modellierungsstudie etwa zehn Prozent der Pflanzen- und Tierarten der Erde ausgestorben sein. Bis Ende des Jahrhunderts könnte mit 27 Prozent mehr als ein Viertel der Artenvielfalt ausgelöscht werden.

Das geht aus einer Modellierungsstudie hervor, die europäische und australische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachmagazin „Science Advances“ veröffentlicht haben. Das Team um Giovanni Strona von der Universität Helsinki und Corey Bradshaw von der Flinders University hat im Computer virtuelle Erden mit Artengemeinschaften und mehr als 15.000 Nahrungsnetzverbindungen erstellt.

So konnte einerseits berechnet werden, wie viele Arten aufgrund von Klimawandel und Landnutzungsänderungen wahrscheinlich aussterben werden und andererseits, wie sich die Verbindungen in den Nahrungsnetzen dabei auswirken.

„Jede Art ist in irgendeiner Weise von anderen abhängig“, sagt Bradshaw. Man könne dabei an eine räuberische Art denken, die ihre bevorzugte Beute durch den Klimawandel verliert. Der Verlust der Beutetierart sei ein primäres Aussterben, weil es direkt mit einer Störung zusammenhängt. In der Folge könne aber mangels Beute auch der Räuber aussterben – eine Koextinktion. Es gibt weitere Beispiele dafür wie eine parasitische Arte, die ihren Wirt durch Abholzung verliert, oder eine Blütenpflanze, die ihre Bestäuber verliert, weil es zu warm wird.

Koextinktionen seien bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden und sie werden das Artensterben deutlich verschlimmern, sagen die Autoren.

Die Folgen des Klimawandels hat das Team anhand sozioökonomischer Entwicklungspfade abgeschätzt, die zeigen, wie sich das Klima in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts weiter erwärmen könnte. Diese Entwicklungspfade leigen auch Klimasimulationen zugrunde, die in die Berichte des Weltklimarates IPCC einfließen. „Bis 2100 wird es insgesamt bis zu 34 Prozent mehr Koextinktionen geben, als aus den direkten Auswirkungen allein vorhergesagt werden“, sagt Strona. Koextinktionen könnten die Aussterberate der am meisten gefährdeten Arten bis zum Ende des Jahrhunderts demnach mit einer Steigerung um 184 Prozent fast verdreifachen.

„Kinder, die heute geboren werden und bis zu ihrem 70. Lebensjahr leben, müssen damit rechnen, das Verschwinden von Tausenden von Pflanzen- und Tierarten mitzuerleben, von winzigen Orchideen und kleinsten Insekten bis hin zu ikonischen Tieren wie dem Elefanten und dem Koala“, sagt Bradshaw.

Das Modell zeige, dass der Klimawandel in allen Szenarien für die meisten Primär- und Koextinktionen verantwortlich ist. Die Erwärmung werde zwar als eine der Hauptursachen für das weltweite Artensterben angesehen, die neue Analyse zeige aber deutlich, dass seine Auswirkungen bisher unterschätzt werden. „Ohne grundlegende Änderungen in der menschlichen Gesellschaft werden wir viel von dem verlieren, was das Leben auf unserem Planeten erhält“, sagt Bradshaw.

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