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Scheinbar. So könnte Calciavis geschimmert haben.

© Ill.: Velizar Simeonovski

Vogelfederfarbe: Schöner Schein aus dem Schaft

Kasuare sind schon komische Vögel. Sie haben einen Dolch am Fuß, eine Beule am Kopf - und sie färben sich die Frisur anders als ihre Verwandten.

Von den Kasuaren gibt es noch drei Arten. Die sind scheu und leben in Wäldern Neu-Guineas und Nordaustraliens.

Mit einer Größe von bis zu 1,70 Metern und einem Gewicht bis zu 90 Kilogramm haben sie das Fliegen längst aufgegeben und tragen an der mittleren ihrer drei Zehen eine manchmal mehr als zehn Zentimeter lange Klaue.

Die gleicht einem Dolch und mit ihr sollen die Vögel bereits Menschen getötet haben. Sie gelten damit als so ziemlich die gefährlichsten Vertreter ihrer Klasse überhaupt.

Auf dem Kopf tragen sie auch noch einen auffallenden, mit Horn überzogenen und bis zu 18 Zentimeter hohen Aufsatz, über dessen Funktion Zoologen immer noch rätseln.

Blue Bird

Das Rätsel ihres Federglanzes haben Forscher nun aber gelöst. Chad Eliason vom Field Museum in Chicago und Julia Clarke von der University of Texas in Austin schreiben darüber jetzt in der Zeitschrift „Science Advances“.

„Bei Wirbeltieren lässt sich eine dunkle Färbung von Haut, Haaren, Federn und Augen oft auf Farbstoffe aus der Gruppe der Melanine zurückführen“, erklärt Gerald Mayr, der am Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt am Main die Evolution der Vögel untersucht, aber selbst nicht an diesem Forschungsprojekt beteiligt war. Von einer Membran umhüllt wird dieses Pigment in winzigen Organellen der Zellen gespeichert.

Diese runden oder ovalen Melanosomen färben die Haut von Menschen dauerhaft oder nach längerer Sonneneinstrahlung dunkel und geben auch vielen Vogelfedern eine bräunliche, dunkle Farbe. „Bei manchen Vogel-Arten“, sagt Mayr, „können diese Melanosomen auch winzigen Würstchen oder Rollen ähneln.“ Wird das Licht an diesen Formen gebrochen oder reflektiert, schillern die Federn von Kolibris oder Pfauen.

Pigmente und Haken

Die Struktur einer Vogelfeder wiederum ähnelt der Super-Miniatur-Ausgabe eines Baumes. Dabei entspricht der Schaft der Feder dem Baumstamm. Von diesem zweigen Federäste ab. Ähnlich wie bei einem Baum aus den Ästen Blätter wachsen, sprießen aus diesen Federästen sogenannte „Bogen- und Hakenstrahlen“, die sich untereinander verhaken. „So entsteht die geschlossene Feder-Struktur, die Vögel zum Fliegen brauchen“, sagt Mayr.

In diesen Federstrahlen wiederum sitzen auch die Melanosome, die einer Feder eine dunkle Farbe geben.

Dort können auch andere Farbstoffe wie Carotinoide oder winzige Luftbläschen eingelagert werden, die Lichtstrahlen bestimmter Farben absorbieren oder reflektieren. Das Zusammenspiel dieser Effekte mit den Farbpigmenten gibt den Federn dann ihre typischen Farben, die auch je nach Körperpartie oder Jahreszeit variieren können.

Das zeigt zum Beispiel der rote Hals- und Brustbereich eines Rotkehlchens, dessen restliche Federn auf dem Rücken olivbraun sind und im Laufe der Zeit durch Abnutzung grau werden, während der Bauch weiß ist.

Früher Vogel aus Wyoming

Als Chad Eliason und Julia Clarke die außergewöhnlich gut erhaltenen Fossilien einer Calxavis grandei genannten Vogelart untersuchten, die vor 52 Millionen Jahren dort lebte, wo sich heute der US-Bundesstaat Wyoming befindet, zeigten sich im Rasterelektronenmikroskop bei der längst ausgestorbenen Spezies lange und schmale Melanosomen. Sie ähnelten Miniatur-Bohnen. Diese Form lässt heutige Federn kräftig schillern. Vor 52 Millionen Jahren war das wahrscheinlich genauso.

Diese fossile Vogelart gehört genau wie die heute lebenden Kasuare, die Straußenvögel und die in Neuseeland lebenden Kiwis zu einer „Urkiefervögel“ genannten Gruppe der Vögel, deren Entwicklung sich bereits vor knapp hundert Millionen Jahren vom großen Rest der Vögel abspaltete. In dieser Gruppe aber schimmern bei den heute lebenden Tieren nur die Federn der Kasuare.

Man könnte also annehmen, dass Kasuar-Federn nach dem gleichen Prinzip arbeiten. Doch genau das tun sie nicht. Chad Eliason und Julia Clarke untersuchten die winzigen Strukturen des Kasuar-Gefieders mit Rasterkraft- und Transmissionselektronen-Mikroskopen.

Strahlen ohne Strahlen

So fanden sie eine komplett andere Grundstruktur der Federn: Statt sehr vieler haben die Kasuar-Federn nur noch sehr wenige Federstrahlen, in denen bei ihren ausgestorbenen Verwandten und bei vielen heutigen Vögeln die Farbpigmente sitzen. Dadurch aber fällt mehr Licht auf den kräftigen Federschaft. Er kann so das Schimmern übernehmen. Damit sind die Farbeffekte der Kasuare eher mit denen zu vergleichen, die Säugetiere mit Pigmenten ihrer Haare oder auch mit verhornten Hautteilen erzeugen.

Weshalb aber greifen Kasuare nicht auf das altbewährte Prinzip der vor 52 Millionen Jahren ausgestorbenen Verwandtschaft zurück, sondern entwickelten einen fast komplett neuen Mechanismus für den nach außen praktisch gleichen Schillereffekt?

Ein Grund dürfte sein, dass Calciavis grandei zu einer Gruppe sehr geschickt fliegender Vögel gehörte, während Kasuare zwar auf zwei Beinen mit einem Tempo von 50 Kilometern in der Stunde durch den Regenwald stürmen, aber nicht fliegen können.

Immer Schimmer

„Die Federn brauchen also die ineinander verhakten Federstrahlen gar nicht mehr, um eine geschlossene Form zu bewahren“, erklärt Gerald Mayr. Die schillernde Färbung scheinen die Vögel aber – möglicherweise als Schmuck im Wettbewerb um Paarungspartner – doch weiterhin gebraucht zu haben. Schritt für Schritt in ihrer Evolution verlagerte sie sich von den feinsten Federstrukturen in den Schaft.

Davon jetzt einen Schimmer zu haben, sagen die Forscher, sei auch ein kleiner Schritt auf dem Weg, nicht nur die Evolution der Vögel, sondern auch die Entwicklung des Lebens auf der Erde insgesamt immer besser zu verstehen.

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