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Über Schavans Doktorarbeit wird weiter gestritten.

© dpa

Plagiatsdebatte: Vorzeitige Freisprüche für Annette Schavan

Der Streit über Annette Schavans Dissertation geht weiter: Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen, sagt, hochrangige Vertreter der Wissenschaft hätten im Wege der Ferndiagnose versucht, politisch gewünschte Ergebnisse herbeizureden.

Die Debatte um die Plagiatsvorwürfe gegen die Dissertation von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) reißt nicht ab. Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), Jura-Professor Bernhard Kempen, kritisierte am Mittwoch sowohl Vorverurteilungen als auch „vorzeitige Freisprüche“ der Ministerin.

Kempen erklärte zu dem Gutachten des Düsseldorfer Professors Stefan Rohrbacher: „Dieses Fachurteil wiegt schwer.“ Rohrbachers Gutachten werde von der Indiskretion einer einzelnen Person keineswegs diskreditiert. Kritikwürdig sei auch nicht der Umgang der Uni mit dem Plagiatsfall, sondern „vielmehr sachlich ungerechtfertigte Einwände und Verfahrensempfehlungen aus Politik und Teilen der Wissenschaft“. Das gelte auch für „vorzeitige Freisprüche“. „Hochrangige Vertreter der Wissenschaft“ hätten „im Wege der Ferndiagnose“ versucht, „politisch gewünschte Ergebnisse herbeizureden“.

Für den Münchner Rechtsprofessor und Plagiatsexperten Volker Rieble steht fest, dass Schavans Arbeit „ein klares Plagiat“ ist, wie er der „Zeit“ sagte. Schon 20 Seiten, auf denen fehlerhaft zitiert wird, reichten – auch „vielen Gerichten“. Der Einwand, 1980 hätten andere Maßstäbe gegolten, sei „eine Uraltausrede“.

Heinz-Elmar Tenorth, emeritierter Erziehungswissenschaftler der Humboldt-Universität, hatte bereits im Mai in der „FAZ“ erklärt, Schavan habe nicht plagiiert. Nun legte er auf „Zeit online“ nach. Gemeinsam mit seinem Kollegen Helmut Fend (Konstanz/Zürich), der in Schavans Dissertation zitiert worden war, erklärte Tenorth, „Regelwidrigkeiten“ seien zwar nicht zu bestreiten. Doch wie Rohrbacher daraus auf „leitende Täuschungsabsichten“ zu schließen, sei ein „kühner Schluss“. Tenorth und Fend, die das vertrauliche Gutachten offenbar kennen, vermissen die Berücksichtigung des „spezifischen Gattungscharakters“ von Schavans Dissertation und die Würdigung „der gesamten Komposition der Arbeit“.

Auch Wolfgang Frühwald, Germanist und ehemaliger Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, hat sich nach eigener Aussage sowohl mit Schavans Dissertation als auch Rohrbachers Gutachten beschäftigt. Er komme zu dem Schluss, dass in Schavans Arbeit Fußnoten fehlen, wo welche hingehören, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. In der gesamten Arbeit seien „sechs längere Stellen“ zu finden, „an denen man solche handwerklichen Fehler feststellen muss“. Ob man dies tolerieren wolle, sei „Ermessenssache“. Zuvor hatte Frühwald im Deutschlandradio Kultur gesagt, angesichts der vor 32 Jahren üblichen Arbeitsweise mit Zettelkästen halte er den Plagiatsvorwurf „eigentlich für nicht gerechtfertigt“.

Der Mainzer Bischof Kardinal Lehmann empfindet „Unmut“ darüber, wie mit Schavan umgegangen werde. Er habe als Professor für Dogmatik selbst zahlreiche Promotionen betreut. Deshalb wisse er auch, „wie man damals gearbeitet hat“.

Wie in Teilen unserer gestrigen Ausgabe berichtet, rechnet die SPD mit einem Rücktritt Schavans. „Als Bildungs- und Forschungsministerin ist sie bereits jetzt irreparabel beschädigt“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte dem „Hamburger Abendblatt“, Schavan könne ihr Amt angesichts der Vorwürfe „nicht mehr unbelastet ausüben“.

Der Präsident der Humboldt-Stiftung, Helmut Schwarz, kritisierte das Prüfverfahren der Uni. Man müsse Externe mit der Prüfung beauftragen, sagte Schwarz im „Deutschlandfunk“. Ernst Dieter Rossmann, der forschungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, forderte dagegen „mehr Respekt“ vor dem Verfahren der Uni. Das „Trommelfeuer der CDU/CSU“ werfe „kein gutes Licht auf den souveränen Umgang mit einem ergebnisoffenen Prüfungsverfahren“. Schließlich habe Schavan selbst die Uni um Überprüfung ihrer Arbeit gebeten. Rossmann bezog auch die Kritik „ehemaliger von der Union berufener Landesminister und heutiger Hochschulleiter“ mit ein – womit HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz gemeint sein dürfte, – sowie aus „einschlägigen Kreisen speziell aus den Wissenschaftsorganisationen“, denen Rossmann offenbar eine besondere Nähe zur Bundesregierung unterstellt. (Tsp/dpa/dapd/KNA/AFP)

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