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Dr. Franziska Giffey muss weiter um ihren Dr. bangen.

© imago images/Reiner Zensen

Wendung im Fall Giffey: Waren die Plagiatsprüfer befangen?

Die Prüfer der FU Berlin im Plagiatsfall Giffey weisen eine auffällige Nähe zur Doktormutter der Politikerin auf. Studierendenvertreter fordern Konsequenzen.

Neue Wendung im Plagiatsfall von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD): Laut „Zeit“ war das Prüfgremium der Freien Universität Berlin (FU) ausschließlich mit Personen besetzt, die wissenschaftlich engere Verbindungen zur Doktormutter Tanja Börzel hatten.

Die Kommission, die die Plagiatsvorwürfe zu Giffeys Doktorarbeit prüfen sollte, war am 25. Februar 2019 vom Promotionsausschuss des Otto-Suhr-Instituts der FU eingesetzt worden, dessen Vorsitzende bis heute Tanja Börzel ist.

Sämtliche Mitglieder des Kontrollgremiums sollen nach dem Bericht der „Zeit“ mit Börzel verbunden gewesen sein: als Kopf eines Forschungsprojektes (Miriam Hartlapp), als Mitstreiter im Institutsrat (Bernd Ladwig), als Mitprofessorin am Jean Monnet Centre (Barbara Pfetsch), als Mitautor eines Aufsatzes (Ingo Peters). Einziges externes Mitglied des Gremiums sei demnach Edgar Grande gewesen, der allerdings mit Börzels Ehemmann Thomas Risse publiziert habe. 

Dem Vernehmen nach soll dasselbe Prüfgremium möglicherweise auch für die nun angekündigte erneute Prüfung von Giffeys Arbeit zuständig werden. 

Untersuchung zog sich acht Monate hin 

Nach Informationen der „Zeit“ hatte es sechs Wochen gedauert, bis die Kommission 2019 das erste Mal zusammen kam. Die Untersuchung zog sich acht Monate hin, am Ende stand die ungewöhnliche Entscheidung, dass Giffey den Doktortitel behalten durfte, die FU aber, erstmals in ihrer Geschichte, eine Rüge aussprach. Eine Maßnahme, die in der Promotionsordnung gar nicht vorgesehen ist. 

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Die FU hat in der vergangenen Woche nun diese Rüge wieder zurückgezogen und angekündigt, das Verfahren neu aufrollen zu wollen. Womit die künftige Berliner SPD-Vorsitzende nun doch noch ihren Doktortitel verlieren könnte.

Objektive Täuschung an 27 Stellen

Die Prüfer der FU sahen bei der ersten Prüfung  eine „objektive Täuschung“ an 27 Stellen. Im Hintergrund des erneuten Verfahrens steht die Frage, ob es sich bei den in gefundenen Plagiaten  um einem minderschweren  oder schweren Fall der Täuschung handelt. 

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD).
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD).

© REUTERS/Michele Tantussi

Die FU hatte nun mitgeteilt, dass ein minderschwerer Fall „im Schlussbericht des Prüfgremiums für die Dissertation nicht dargetan worden“ sei und daher eine erneute Prüfung durchzuführen sei. Die Formulierung lässt offen, ob die Täuschungen schwer oder weniger schwer wiegen. Ein externes von der CDU in Auftrag gegebenes Gutachten war zu dem Schluss gekommen, dass Giffey der Doktortitel aberkannt werden sollte.

[Mehr zum Thema: Plagiatsfall Giffey wird neu aufgerollt - ein Debakel für Berlin und die SPD]

Das fordert auch der Studierendenausschuss Asta der FU, der mit seiner Forderung nach Freigabe des FU-Prüfergebnisses den Fall wieder ins Rollen gebracht hatte. Die Formulierung in der Mittelung der FU sei „durchaus kryptisch“, sagte Asta-Referent Janik Besendorf dem Tagesspiegel. 

Asta: Es bleibt nur der Entzug des Doktortitels

„Wir sind überzeugt davon, dass die einzig mögliche Entscheidung der Entzug des Titels sein kann.“ Das Gutachten der FU spreche von objektiver Täuschung und bedingtem Vorsatz sowie von sanktionswürdigem Verhalten. „Fällt die Rüge als Sanktion weg, bleibt nur der Entzug des Doktortitels“, so Besendorf.

Die Studierendenvertreter fordern  zudem den Rücktritt von Tanja Börzel als Vorsitzende des Promotionsausschusses: „Tanja Börzel als Doktormutter von Giffey darf an einem erneuten Verfahren auf keinen Fall beteiligt sein.“

Der Promotionsausschuss müsse alles zur Causa Giffey ohne sie entscheiden. Sollte die FU Giffey nach der neuerlichen Prüfung den Doktortitel nicht aberkennen, stelle sich auch die Frage nach der Forderung zum Rücktritt des Präsidiums. „Auf jeden Fall müssen aus diesem Desaster Konsequenzen gezogen werden.“ Die ganze Arbeit müsse erneut ausführlich geprüft werden, nicht nur die Stellen, die von Vroni-Plag Wiki aufgedeckt worden waren. 

OSI-Emeritus: Alle Beteiligten sind beschädigt

Auf Nachfrage des Tagesspiegels sagte der ehemalige Professor des Otto-Suhr-Instituts Hajo Funke, dass durch die Vorgänge nun alle Beteiligten beschädigt seien: "Die Doktormutter Tanja Börzel als diejenige, die verantwortlich ist und ,großzügig' war; durch das ungeheure Hin und Her auch die FU; Franziska Giffey, die ihre politischen Interessen in den Vordergrund hätte schieben müssen."

Giffey wäre gut beraten, zu sagen, dass sie aufgrund der Verstrickung und Skandalisierung auf den Titel verzichtet, weil es ihr um die Sache und die Politik gehe, dass sie dies spät aber noch rechtzeitig erkannt habe. „Das wird sie sonst nur weiter stören, bei dem Ziel Regierende Bürgermeisterin zu werden“, sagte Funke.

Dass die Doktormutter offenbar über die Zusammensetzung des Prüfgremiums mitentschieden hat, ist für Funke ein „Ding der Unmöglichkeit.“ Der Einfluss der „Gruppe Börzel“ an der FU sei wohl groß. Offenbar gebe es eine Beeinflussung durch sie. Man könne einen indirekten Prozess der Intervention vermuten. „Man hätte ein unabhängiges Prüfgremium einsetzen müssen“, sagt Funke.

„Falls nun dasselbe Prüfungsgremium noch einmal eingesetzt werden sollte, wäre das absurd." Das müsste die FU verhindern, so Funke. Dazu gäbe es Möglichkeiten, etwa über den Akademischen Senat.

Dass allerdings das Präsidium der FU zurücktreten sollte, wie vom Asta ins Gespräch gebracht, wäre über das Ziel hinausgeschossen: „Die Hochschule steht durch die Beteiligten und die Öffentlichkeit bereits ausreichend in der Kritik.“

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