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Unmut an der Charité. In der Berufungskommission wird entschieden, ob der von der Findungskommission vorgeschlagene Kandidat tatsächlich ans BIH kommt.

© picture alliance / Paul Zinken/d

Wer die Professur bekommt: Ärger über beschleunigte Berufung

Der Vorstand des Berlin Institute of Health (BIH) eckt mit Professoren-Rekrutierung an. Kritiker behaupten, es habe "private Vorabsprachen" gegeben. Das weist der Vorstand zurück

Ist Berlins wissenschaftliches Aushängeschild, das Berlin Institute of Health (BIH), im Begriff, seine Reputation zu schädigen? Das behaupten Kritiker mit Blick auf ein aktuelles Rekrutierungsverfahren für eine Professur. In geheimen Vorabsprachen sei die Entscheidung für einen Kandidaten getroffen worden, sogar schon vor Ablauf der Bewerbungsfrist. Das Vorgehen sei ein Affront gegen die anderen Bewerberinnen und Bewerber und verletze die gute wissenschaftliche Praxis. Die Charité bestätigt, dass mindestens ein Bewerber versucht hat, mit einer einstweiligen Verfügung zu verhindern, dass Fakten geschaffen werden. Vom Gericht sei darüber noch nicht entschieden worden.

Anders als der angeblich Ausgewählte seien die anderen Bewerberinnen und Bewerber, dem Vernehmen nach elf, darunter Kapazitäten aus dem Ausland, gar nicht ernsthaft auf ihre Eignung geprüft, geschweige denn, wie sonst in solchen Verfahren üblich, zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden, wird moniert. Ihre Bewerbungsunterlagen werde die Berufungskommission, die die Entscheidung eigentlich zu treffen hat, nicht einmal vollständig zu Gesicht bekommen. Die vermeintliche „private Vorabsprache“ sei auch geeignet, die Reputation des favorisierten Kandidaten zu beschädigen. Er erscheine durch die Extra-Behandlung als nicht wirklich konkurrenzfähig.

Die Kritik richtet sich gegen den Vorstand des BIH. Sein Wunsch sei es gewesen, den aktuell in Süddeutschland forschenden Professor Schulze (Name geändert), auf die gut ausgestattete Medizin-Professur ans BIH zu holen. Zum Vorstand des BIH gehören Charité-Chef Karl Max Einhäupl, Martin Lohse, der Leiter des Max-Delbrück-Centrums, der Dekan der Charité Axel Pries und Rolf Zettl, der Administrative Vorstand des BIH. Der Vorstandsvorsitzende ist Erwin Böttinger.

Er weist sämtliche Vorwürfe zurück. Zwar sei tatsächlich mit Schulze gesprochen worden. „Das war aber keine Vorauswahl. Es ging um die Sicherung einer Option, also um die Frage, ob Schulze uns zur Verfügung steht“, sagt er auf Anfrage. Denn der Professor habe auch noch andere attraktive Angebote. „In keiner Weise wurde aber in die Hoheit der Findungskommission und der Berufungskommission eingegriffen“, versichert Böttinger. Auch habe die Bewerbungsfrist trotz des Gesprächs mit Schulze natürlich weiter gegolten, da ja noch keine Entscheidung gefallen sei. „Alle Schritte zu diesem Vorgehen sind im BIH-Vorstand vorab abgesprochen und beschlossen worden“, betont er.

Ein neues Verfahren soll Berufungen am BIH beschleunigen

Böttinger verweist auf das neue „Fast-Track“-Berufungsverfahren, das in dem Fall erstmals zur Anwendung kam. Es soll ermöglichen, dass Professuren am BIH weit schneller besetzt werden können, als es an der Charité oft der Fall ist. Dort vergehen meistens ein bis über zwei Jahre, bis eine Professur wirklich besetzt ist. Das liegt meistens daran, dass die ausgewählten Bewerber im Anschluss langwierig über ihre Ausstattung verhandeln. Kommt die Charité mit dem oder der Ausgewählten schließlich nicht überein, muss das Verfahren von Neuem beginnen.

Um das Berufungsverfahren am BIH gemäß internationaler Standards zu gestalten, verabredete Böttinger mit der Charité, die das Berufungsrecht auch für die BIH-Positionen hat, einen neuen Weg. Die zuerst eingesetzte Berufungskommission berät das Profil der öffentlichen Ausschreibung – überträgt den nächsten Schritt aber an eine Findungskommission, deren Mitglieder sie nominiert. Die Findungskommission sichtet die Bewerbungen und schlägt der Berufungskommission schließlich nur eine Person vor. Mit dieser können Eckpunkte über die Ausstattung in einer – rechtlich nicht verbindlichen – Absichtserklärung besprochen werden, erklärt Böttinger.

Möglich, dass das neue Verfahren nicht allen an der Charité gefällt – wird dadurch doch die Berufungskommission in ihrer Kompetenz beschnitten, selbst wenn zwei ihrer Mitglieder zur Findungskommission gehören. Der Fakultätsrat der Charité hat den Fast track für das BIH zwar Ende vergangenen Jahres beschlossen, aber nach langen und heftigen Debatten, wie zu hören ist. Das neue Verfahren sei „vorab sehr gut kommuniziert und abgestimmt worden“, erklärt Charité-Dekan Axel Pries auf Anfrage. Möglicherweise sei die Unruhe an der Charité über das Verfahren entstanden, weil damit „alle Beteiligten noch Erfahrungen sammeln müssten“.

Allerdings scheint sich der aktuelle Unmut auch weniger auf das noch nicht erprobte Verfahren zu beziehen, sondern eher auf seine Durchführung. In einem mit „streng vertraulich“ überschriebenen Brief an die Mitglieder der Findungskommission vom 10. März, der dem Tagesspiegel vorliegt, scheinen Böttinger und Pries für eine Abweichung vom Fast-track-Verfahren zu plädieren: „Außergewöhnliche Umstände verlangen manchmal Abweichungen von der Regel“, schreiben sie. Das sei jetzt bei der Suche nach einer Person für die zu besetzende Professur der Fall. Die Findungskommission wird in dem Schreiben kurzfristig zu einem „dringenden ad hoc meeting“ eingeladen, um eine „einmalige, dringliche Gelegenheit für eine herausragende strategische Rekrutierung für diese Position zu erwägen, die die volle Unterstützung des BIH Vorstands“ hat.

Der Vorstand habe die Findungskommission zur "Erfüllungsgehilfin degradiert", meinen manche

Warum sollte nicht auch der Vorstand interessante Kandidaten für die Position vorschlagen? „Es liegt in der Natur des Findungsprozesses, dass viele Vorschläge von der Findungskommission, internationalen Headhuntern und auch Vorstandsmitgliedern gesammelt werden“, erklärt der Dekan Pries. An der Charité verstehen manche den Vorgang jedoch so, als habe der Vorstand nicht bloß einen eigenen Vorschlag eingespeist, sondern die Findungskommission „zur Erfüllungsgehilfin degradiert“, anstatt sie autonom suchen zu lassen, berichtet ein Insider: „Ganz viele regen sich darüber auf.“ Es werde auch befürchtet, attraktive Kandidaten würden sich, nachdem schon alles festzustehen scheine, nun gar nicht mehr auf die Position bewerben. Neben solchen Erwägungen geht es aber auch um harte rechtliche Fragen. Im öffentlichen Dienst können Stellen nicht einfach wie in der freien Wirtschaft „Pi mal Daumen“ besetzt werden, wie ein Arbeitsrechtler auf Anfrage sagt. Das im Grundgesetz fixierte Leistungsprinzip verlange eine „von A bis Z“ ordentlich dokumentierte Bestenauswahl.

Böttinger verwahrt sich jedoch gegen den Verdacht, er habe der Findungskommission eine fertige Entscheidung überhelfen wollen: Die Findungskommission habe lediglich prüfen sollen, ob Schulze ein geeigneter Bewerber sei. Dass dem so sei, habe die Findungskommission dann festgestellt. Im weiteren Verlauf sei dieser als geeignet geltende Kandidat mit den anderen verglichen worden, sagt Böttinger.

In einer Mail von Böttinger an den Dekan Pries vom 21. März heißt es, zwar hätten bei der Debatte über Schulze in der Findungskommission „nicht alle Bedenken ausgeräumt werden können“. Doch: „Schlussendlich haben sich die Kommissionsmitglieder einstimmig dafür ausgesprochen, den BIH-Chair mit Herrn Schulze zu besetzen, da die positiven Aspekte eindeutig überwiegen.“ Axel Pries betont, die Findungskommission habe ihre Entscheidung für Schulze „erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist und nach Berücksichtigung aller KandidatInnen“ getroffen. In der Ausschreibung wurde als Frist der 7. April genannt.

Schulze werde nun der Berufungskommission als einziger Kandidat präsentiert, sagt Böttinger. Die Berufungskommission hat das letzte Wort. Sie könnte den Kandidaten Schulze durchfallen lassen, was durchaus nicht ausgeschlossen ist, wie der Insider meint. Manche der Mitglieder fühlten sich übergangen, auch spiele das Spannungsverhältnis zwischen dem BIH und der Charité in der Sache eine Rolle.

Der aktuelle Unmut habe sich aber wohl überhaupt nur geregt, weil manche in der Berufungskommission Schulze nicht für den besten Kandidaten hielten, sagt der Kenner. Denn dass bei Berufungen gekungelt wird, sei in Deutschland und auch an der Charité nicht ungewöhnlich. Auch der Arbeitsrechtler hält Kungeleien bei Stellenbesetzungen im öffentlichen Dienst für keineswegs selten. Nicht alle Strippenzieher verhielten sich dabei aber geschickt genug: 40 Prozent der Konkurrentenklagen hätten vor Gericht Erfolg.

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