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Werkstoffe: Flüssiges Holz für einen festen Tritt

Schuhdesigner setzen auf einen biologischen Kunststoff.

Es ist wohl eher ein Marketing-Gag als ein großer Schritt zur Rohstoffeinsparung. Der neue Damenschuh „Eco Pump“ aus dem Gucci-Konzern hat einen Absatz aus Biokunststoff. Das „Arboform“ genannte Material wird aus Resten der Zelluloseherstellung gewonnen und ist bei höheren Temperaturen flüssig, so dass es wie herkömmliches Plastik in eine Form gespritzt werden kann. Darum wird es mitunter auch als „flüssiges Holz“ bezeichnet.

Während der Biokunststoff bei den Schuhen nur einen kleinen Anteil ausmacht, kann er in Gestalt anderer Produkte durchaus helfen, Ressourcen zu schonen. So wird er bereits seit Jahren für biologisch abbaubare Kunststoffsärge in Kenia eingesetzt. Dort sterben täglich rund 700 Menschen an Aids. Wenig pietätvoll, aber sehr auf den Schutz der schwindenden Wälder im Land bedacht mahnte die Regierung bereits 2005: „Es ist nicht sinnvoll, unsere Bäume nur für Särge zu fällen!“ Kunststoff als Ersatz kam nicht infrage, weil Plastik im Boden nicht vollständig abgebaut wird. Die Lösung war schließlich das Arboform der Firma Tecnaro in Baden-Württemberg.

Begonnen hatte die Entwicklung am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) in Pfinztal. „Jedes Jahr fallen weltweit 60 Millionen Tonnen Lignin an, wenn die Industrie Holz in seine Bestandteile Zellulose, Hemizellulose und Lignin trennt“, sagt Jürgen Pfitzer, der im Juli 1998 als ICT-Forscher gemeinsam mit seinem Kollegen Helmut Nägele die Firma Tecnaro gründete. Während Zellulose ein wichtiger Rohstoff für die Herstellung von Papier ist, fällt Lignin als sogenannte Schwarzlauge an, die meist direkt in der Zellulosefabrik verbrannt wird, um Energie zu gewinnen. Pfitzer und seine Kollegen untersuchten, ob man das Lignin der Schwarzlauge zu einem Biokunststoff verarbeiten kann, der Holz oder verholzten Pflanzenteilen ähnelt.

Holz besteht aus Lignin, das für die Druckfestigkeit zuständig ist, während Zellulose die Zugfestigkeit bringt. Soll der Biokunststoff ähnliche Eigenschaften haben, benötigt er neben dem Lignin als zweiten Bestandteil also eine Naturfaser, die den Werkstoff stützt. „Wir arbeiten unter anderem mit Hanffasern und Zellulose“, sagt Pfitzer. „Wie ein Stahlgeflecht im Beton stabilisieren die Fasern das Arboform.“ Natürliche Zusätze wie Wachs machen aus dieser Mischung einen Faserverbundwerkstoff, den man in Spritzgussmaschinen wie einen herkömmlichen Kunststoff aus Erdöl zu verschiedenen Produkten verarbeiten kann.

Heute gibt es neben Särgen und Urnen auch gegossene Rückenlehnen für Bürostühle und Hüllen für Markierstifte aus Arboform. Sogar Armaturenbretter für Autos oder Lautsprecher entstehen inzwischen aus dem Material: „Anders als Holz leitet Arboform den Schall nicht“, sagt Pfitzer. Wie es sich für einen guten Lautsprecher gehört, schwingt also nur die Membran und nicht das gesamte Gehäuse. Roland Knauer

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