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Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.

© Privat

Wiarda will’s wissen: Länder, forscht mehr zur Bildung!

Die Bundesländer vernachlässigen die Nachfrage nach einer zuverlässigen Evaluation von Kitas und Schulen. Das muss sich ändern, fordert unser Kolumnist.

Vergangene Woche war es wieder so weit. Da verkündete die Bertelsmann-Stiftung: „Das kostet gute Ganztagsschule für alle“ und listete die Ausgabenposten auf: 2,8 Milliarden Euro pro Jahr für zusätzliches Personal, dazu 15 Milliarden Investitionen in Gebäude und Infrastruktur, immerhin nur einmal.

Ein Rauschen ging durch den Blätterwald, den analogen wie den digitalen. Politiker aller Parteien gaben zu Protokoll, dass Bildung nun aber wirklich und besonders in einer eventuellen Jamaika-Koalition ganz oben auf die Agenda gehöre.

So ist das meistens. Eine Stiftung, ein Verband, manchmal auch ein Unternehmen veröffentlicht eine neue Studie mit Zahlen zur bildungspolitischen Lage an Kitas, Schulen oder Hochschulen, beziffert wie zuletzt ebenfalls die Bertelsmann-Stiftung den Lehrermangel oder lässt wie die Kindermoden-Marke Jako-o Forscher untersuchen, wie Eltern von schulpflichtigen Kindern die Verteilung der Bildungschancen wahrnehmen. Und die Kultusminister beeilen sich zu versichern: Sind wir dran, wir kümmern uns.

Wachsendes Misstrauen gegenüber den Auftraggebern der Studien

Oft vermischt sich die Entrüstung über die berichteten Missstände mit einem wachsenden Misstrauen gegenüber den Auftraggebern der Studien. Ein Medienkonzern wie Bertelsmann, heißt es dann, mache immer mehr Umsatz mit seinen Bildungsprodukten, da müsse doch ein Interessenkonflikt bestehen. Was die Stiftung regelmäßig zurückweist und die strikte Trennung der Themenfelder betont.

Das Kernproblem ist ohnehin ein anderes. Es sei ein unbefriedigender Zustand, sagte neulich der Bildungsforscher Eckhard Klieme in einem Interview, dass zentrale Bildungsfragen „eher zufällig, zersplittert und damit ineffizient“ untersucht würden. Denn ob Bertelsmann-Stiftung & Co aus Eigeninteresse handeln oder zugunsten der Gesellschaft: Fest steht, dass ihre Studien meist von hoher wissenschaftlicher Qualität sind und nur deshalb solche Beachtung finden, weil die Bundesländer selbst die Nachfrage nach verlässlichen, regelmäßigen und unabhängigen Evaluationen nicht befriedigen.

Der Bund sollte die Länder zu mehr Evaluationen drängen

Und hier spreche ich nicht von Bildungsstandards und der Frage, ob die Schüler sie erreichen. Hier gibt das von der Kultusministerkonferenz gegründete Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen längst die nötigen Antworten – und löst wie zuletzt vor zehn Tagen mit seinem „Bildungstrend“ auch die nötigen Debatten aus. Aber warum existiert keine öffentliche Organisation, die das Bildungssystem als Ganzes in den Blick nimmt und dann die Wirkung einzelner bildungspolitischer Maßnahmen, vom Frühenglisch bis zur Einschulung mit fünf, systematisch und bundesweit untersuchen lässt? Warum hängt unser Wissen meist davon ab, ob sich gerade eine Stiftung für dieses oder jenes Thema starkmacht?

Bei den Koalitionsverhandlungen wird es um viel Geld gehen, auch um Geld, das der Bund womöglich in die Schulsysteme der Länder pumpen soll. Vielleicht müsste der Bund verlangen: nur wenn ihr im Gegenzug systematische Evaluationen einführt. Bis dahin sollten wir den Verbänden und Stiftungen dankbar sein, dass sie versuchen, die von den Kultusministern verantwortete Lücke zu füllen.

Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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