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Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.

© Privat

Wiarda will's wissen: Wettbewerb belebt die Lehre

Eine Deutsche Lehrgemeinschaft nach dem Vorbild der Deutschen Forschungsgemeinschaft würde die Lehre an Hochschulen aufwerten

Horst Hipplers Argumentation war so simpel wie wirksam: Die Hochschulen ächzten unter der mangelnden Grundfinanzierung. Da könne man doch jetzt nicht mit Projektförderung und Dauer-Wettbewerb kommen. Ergo: Bloß keine DFG für die Lehre. „Wir brauchen jetzt und auch nach 2020 keine neuen Institutionen, sondern vor allem eine klar konzipierte, verlässliche Hochschulfinanzierung in gemeinsamer Verantwortung von Ländern und Bund“, sagte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz und wusste die meisten Unichefs hinter sich. Und, was viel wichtiger ist: auch die meisten Landeswissenschaftsminister.

Das war vor genau einem Jahr, und das Absurde war, dass dieselben Minister, die Hippler applaudierten, eben jene Empfehlung, eine „bundesweite eigenständigen Organisation zur Förderung innovativer Lehrkonzepte“ zu prüfen, Tage zuvor im Wissenschaftsrat mitgetragen hatten. Noch absurder ist, dass Hipplers Argumentation, so logisch sie klingt, die Idee komplett missversteht.

Die Grundfinanzierung muss besser werden

Erstens: Ja, die Budgets der Hochschulen sind viel zu knapp. Und ja, eine Lehrgemeinschaft ergibt nur Sinn, wenn gleichzeitig die Grundfinanzierung besser wird. Aber deshalb hat der Bund den Ländern ja schon Ende 2016 informell zugesagt, dass die Bundesmilliarden, die über den Hochschulpakt (HSP) befristet Studienplätze finanzieren, nach 2020 dauerhaft kommen sollen. Deshalb steht das jetzt so im GroKo-Koalitionsvertrag. Obgleich die Modalitäten offen sind, ist klar: Es werden eher mehr als die bisher 1,8 Milliarden im Jahr, und ein großer Teil wird so fließen, dass die Hochschulen mehr Dauerstellen schaffen können.

Zweitens: Ja, der Wettbewerbswahn regiert. Aber nur in der Forschung. Gerade 200 Millionen Euro pro Jahr fließen über den „Qualitätspakt Lehre“ in Lehrprojekte, nur um deren Verstetigung geht es dem Wissenschaftsrat (wobei er selbst die Bezeichnung „Lehrgemeinschaft“ tunlichst meidet). Zum Vergleich: Die Forschungs-Projektförderung der DFG liegt bei über drei Milliarden Euro. Womöglich sollte man da mal ran.

Bleibt das BMBF hart?

Ein Jahr nach Hipplers „Njet“ gehen die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern in die heiße Phase, jetzt entscheidet sich: Bleibt das BMBF hart und gibt das eine (HSP) nur im Gegenzug für das andere (Lehrgemeinschaft)? Dass Wissenschaftler heute vor allem über die Forschung Karriere machen, liegt auch an der Möglichkeit, sich persönlich über den Erwerb von Projektmitteln auszuzeichnen. Derselben Logik folgend würde eine Lehrgemeinschaft den engagierten Hochschullehrern die überfällige Aufwertung in der hochschulinternen Hackordnung verschaffen. Gleichzeitig müssten Gutachter ähnlich wie in der DFG Kriterien für die Begutachtung der Förderanträge entwickeln – was das hochschulübergreifende Verständnis dessen, was gute Lehre überhaupt ausmacht, endlich schärfen würde.

Der Reflex der Rektoren und Landesminister, möglichst viel Bundesgeld ohne konkrete Gegenleistung zu fordern, ist verständlich. Doch so unpopulär das angesichts der überdrehten Drittmittelspirale in der Forschung zurzeit sein mag: Ein bisschen Wettbewerb belebt das Geschäft. Und die Lehre auch.

Mut macht, dass Hipplers gerade gewählter Nachfolger Peter-André Alt zuletzt andere Töne anschlug: „Vielleicht ist die Deutsche Lehrgemeinschaft ja eine gute Idee und mir hat sie nur noch keiner so richtig vermitteln können.“
Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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