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Anil Seth

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Tagesspiegel Plus

Wie wir die Welt interpretieren: „Der Traum von der unsterblichen Seele ist vorbei“

Der Neurowissenschaftler Anil Seth sagt, unsere Wahrnehmung sei eine „kontrollierte Halluzination“. Warum wir Zahnschmerzen anders wahrnehmen als Eifersucht und er trotz allem an der Seele festhalten will.

Herr Seth, das Ich war lange ein Thema für Philosophen, Dichter und Künstler. Jetzt wollen Neurowissenschaftler wie Sie beantworten, wie unser Bewusstsein entsteht. Ihre wohl bekannteste Aussage lautet: „Unsere bewussten Erfahrungen sind eine Art kontrollierter Halluzinationen.“ Was meinen Sie damit?
Die Aussage stammt original gar nicht von mir, man kann sie bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Sie besagt, dass das Gehirn nicht passiv die objektive Realität registriert, sondern die beste Interpretation davon liefert, was da draußen in der Welt oder in ihrem Körper ist. Stellen Sie sich vor, Sie wären nur Ihr Gehirn: in diesem knöchernen Schädel eingeschlossen ohne direkten Zugang zu dem, was da draußen geschieht ...

… aber dafür haben wir doch Sinnesorgane: Augen, Nase, Haut, Ohren und Zunge.
Genau, sie verbinden das Gehirn mit der Außenwelt. Aber unsere Augen sind kein offenes Fenster, durch das die Realität hereinströmt. Das Gehirn bekommt elektrische Signale, die es übersetzen muss. Wir erleben also von innen heraus die Welt. Unsere Wahrnehmung der Realität ist folglich eine Interpretation.

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