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Multitalent gesucht. Wissenschaftsmanager sollen auch in Forschung und Lehre brillant sein. Es droht Überforderung. Foto: ddp

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Wissenschaftler: Zufällig Präsident

Den Ergebnissen einer Studie zufolge müssen deutsche Universitäten müssen ihre Wissenschaftsmanager besser auswählen und schulen.

Ist an deutschen Hochschulen ein Managementjob zu vergeben, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die ausgewählte Person eher überraschend zu ihrem Amt kommt. Denn knapp 80 Prozent aller Positionen im Wissenschaftsmanagement an Hochschulen werden „zufällig“ vergeben. Die neuen Managementkräfte wissen dann oft gar nicht genau, was auf sie zukommt: Mehr als die Hälfte sind Quereinsteiger. Das sind Ergebnisse einer Studie, für die das marktnahe Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) Leitungskräfte aus 500 deutschen Wissenschaftseinrichtungen und weitere Experten aus 27 Ländern befragte. Das Resümé der Studie: Die deutschen Hochschulen und die außeruniversitären Institute müssen gerade im Vergleich mit den USA und Australien Managementtalente viel stärker als bisher systematisch rekrutieren und fördern.

Managementfähigkeiten sind in den vergangenen Jahren in der Wissenschaft immer wichtiger geworden. Nicht nur, weil die Präsidien mit der steigenden Autonomie der Unis und dem immer schärferen Wettbewerb in der Wissenschaft sehr viel mehr Aufgaben übernehmen müssen als früher. Auch unterhalb der Unileitungen sind Managementfähigkeiten gefragt: So müssen riesige Forschungseinheiten wie die Projekte aus der Exzellenzinitiative, Sonderforschungsbereiche oder fachübergreifende Zentren organisiert werden. Die Akkreditierung von Studiengängen und das Einwerben von Forschungsgeldern bedarf eines strukturierten Vorgehens. Auch wer effektive internationale Netzwerke mit Partnerunis errichten will, braucht gute Manager.

Doch viele im Management der Unis fühlten sich noch immer als Einzelkämpfer, heißt es in der Studie. Es bestehe „die Gefahr der Überforderung“. Das liegt nicht zuletzt daran, dass in den organisatorischen Leitungspositionen oft nur Personal akzeptiert wird, das auch in Forschung und Lehre aktiv und zudem ausgezeichnet ist. Doch Multitalente, die in der Wissenschaft brillieren und denen auch noch überragende Managementfähigkeiten in die Wiege gelegt sind, finden sich nur selten. Hier seien die Hochschulen gefragt, Professoren besser als bisher auch auf organisatorische Aufgaben vorzubereiten, fordert das CHE. Gerade für Kanzler und Vizepräsidenten würde kaum eine Hochschule Fortbildungen anbieten.

Als positive Beispiele nennt das CHE die Universität Bremen, die neu berufene Professorinnen und Professoren für Managementaufgaben extra schult. Die Uni Oldenburg bildet ihre Dekane fort. Der Rektor der Hochschule Wismar lässt sich von einem externen Berater coachen. Das CHE lobt auch die Weiterbildungsangebote externe Anbieter wie etwa der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, die Wissenschaftlern aller Hochschulen offen stehen. Mit diesen Angeboten liegt Deutschland vom Umfang her zumindest europaweit an der Spitze.

Gleichwohl würden Hochschulen kaum „systematisch“ nach Management-Talenten suchen, heißt es in der Studie. „Stallgeruch“ sei das ausschlaggebende Kriterium bei der Jobvergabe. Die meisten Stellen würden über persönliche Kontakte besetzt. Das führe zu einer „hohen Intransparenz“ für Bewerberinnen und Bewerbern. Dadurch würden vor allem Frauen benachteiligt.

Tatsächlich ist der Frauenanteil an wichtigen Managementpositionen an deutschen Wissenschaftseinrichtungen immer noch erschreckend gering. Mehr als die Hälfte der vom CHE befragten Hochschulen und mehr als zwei Drittel der befragten Forschungsinstitute gab an, der Frauenanteil im Präsidium oder Rektorat liege bei null bis höchstens 24 Prozent. Nur jedes zehnte Dekanat wird von einer Frau geleitet. Unter den Studiendekanen sind sogar nur acht Prozent Frauen. Tilmann Warnecke

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