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Geehrt. Thomas Südhof erforscht in Stanford die Kommunikation zwischen Nervenzellen.

© Steve Fisch/ Universität Stanford

Nobelpreisträger für Medizin und Physiologie: Zwischen den Kulturen

Thomas Südhof arbeitet seit 30 Jahren in den USA. Ist er noch Deutscher?

Ein Deutscher hat den Medizin-Nobelpreis bekommen, schrieben gestern fast alle Zeitungen hierzulande. Doch der Neurowissenschaftler Thomas Südhof lebt seit 30 Jahren in den USA. 25 Jahre forschte er an der Universität von Texas in Dallas, vor fünf Jahren wechselte er an die Universität Stanford in Kalifornien. Seine sechs Kinder wurden in den USA geboren, längst hat er die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen. „Ich bezweifle, dass ich juristisch gesehen deutscher Staatsbürger bin“, sagt Südhof. „Ich bin gerne Deutscher. Ehrlich gesagt, um solche Sachen habe ich mich nie richtig gekümmert.“

Eine doppelte Staatsangehörigkeit ist nach Angaben des Auswärtigen Amtes für im Ausland lebende Deutsche durchaus möglich. Allerdings müssen sie eine Genehmigung über die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit beantragen – bevor sie eine andere Staatsbürgerschaft annehmen.

Für Kollegen von Südhof ist die juristische Frage ohnehin unbedeutend. „Deutschland kann diesen Nobelpreis nicht für sich beanspruchen“, sagt Nils Brose. Der Direktor am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen arbeitet seit 20 Jahren immer wieder mit Südhof zusammen. „Seine Arbeit ist in den Vereinigten Staaten entstanden.“

In den USA konnte Südhof mit 31 Jahren seine eigene Arbeitsgruppe aufbauen

Südhof ist in Göttingen geboren und aufgewachsen. Hier hat er studiert und seine Doktorarbeit geschrieben. Anschließend ging er an die Universität von Texas ins Labor von Michael Brown und Joseph Goldstein, die sich 1985 den Medizin-Nobelpreis teilten. Durch ihre Förderung konnte er mit gerade mal 31 Jahren in Texas eine eigene Arbeitsgruppe aufbauen. „Sie haben erkannt, wie gut er ist und ihm die Unabhängigkeit gegeben, zu tun was er will“, sagt Brose. „So viel Freiraum war in Deutschland damals selten.“ An Angeboten aus Deutschland mangelte es Südhof freilich nicht.

Die Bande zur Heimat hat Südhof trotzdem nicht gekappt. Sowohl mit Weggefährten wie Reinhard Jahn und Erwin Neher vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen als auch mit Deutschen, die er in den USA kennen gelernt hat, arbeitet er nach wie vor zusammen. Brose ist nur ein Beispiel.

„Ich fühle mich in vielerlei Hinsicht als Deutscher“, sagt Südhof. „Aber meine Beziehung ist vor allem eine kulturelle.“ Sein Lieblingsbuch sei Goethes Faust, weil es die menschlichen Potenziale und Widersprüche zeige, sagte Südhof dem Fachblatt „Lancet“. Herbert Tauscher, sein Fagottlehrer, habe ihn nachhaltig beeinflusst: „Um etwas zu beherrschen, muss man üben und zuhören, üben und zuhören. Stunde um Stunde um Stunde. Das hat er mich gelehrt.“

Die Disziplin scheint bis heute durch. Außerdem sagt er Kollegen und Mitarbeitern unverhohlen, was er denkt. Gleichzeitig habe er ein feines Gespür für Fairness, sagt Brose. „Ich schätze das sehr.“ Vor allem aber sei Südhof eine Art intellektuelle Naturgewalt: enthusiastisch, getrieben, vor Ideen sprühend. „Er will immer mit aller Kraft voran. Das ist inspirierend.“ (mit dpa/ AFP)

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