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Der Dirigent und Filmmusikexperte Frank Strobel.

© Doris Spiekermann-Klaas

Filmkonzert zum Musikfest: Der Klangtüftler

Dirigent Frank Strobel ist Experte für Stummfilme. Für das Musikfest rekonstruiert er die Musik zu Eisensteins Historienepos „Iwan der Schreckliche“

Die Geschichte dieses Filmkonzerts beginnt mit den technischen Unzulänglichkeiten legendärer Meisterwerke. Der Regisseur Sergei Eisenstein und der Komponist Sergej Prokofjew schufen gemeinsam die Filme „Alexander Newski“ und „Iwan der Schreckliche“, in denen Bild und Musik eine untrennbare Einheit bilden. Musik und Geräusche unterstützen nicht nur atmosphärisch die Handlung, sondern erzählen das Drama gleichberechtigt mit wie in einer guten Oper. Allerdings waren die Möglichkeiten der Klangaufzeichnung Anfang der vierziger Jahre noch längst nicht so fortgeschritten, dass der überwältigende Klang eines großen Symphonieorchesters angemessen eingefangen werden konnte. „Die Tonspur kracht und knistert, es klingt total blechern“, fasst der Dirigent Frank Strobel den Höreindruck zusammen. „Das fand ich immer sehr schade, denn Prokofjews Musik bezieht sich auf Eisensteins Montagetechnik. Das konnte man bisher nur sehr eingeschränkt hören.“

Der erste Teil gelobt, der zweite von Stalin verboten

Der Stummfilmspezialist hat bereits „Alexander Newski“ mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und dem Rundfunkchor erfolgreich begleitet, aber bei „Iwan dem Schrecklichen“ stand er vor noch größeren Schwierigkeiten. „Wir wollten auch diesen Film schon seit Jahren mit Livemusik aufführen, aber damals war es technisch unmöglich, die Musik zu isolieren. Inzwischen haben wir das dank neuester Digitaltechnik geschafft, nun ist endlich der Weg frei, die Komposition mit Orchester, Chor und Solisten neu aufzuführen.“ Der erste Teil des Monumentalfilms aus dem Jahr 1944 erzählt den Aufstieg Iwans IV. und wurde mit Lob überschüttet. Der zweite Teil handelt vom Niedergang des Zaren, wurde verrissen und schließlich von Stalin verboten. Der geplante dritte wurde nicht fertiggestellt, nur wenige Szenen sind erhalten. Schon daran lässt sich erahnen, dass dieser Film auch ein Ideologieträger ist und wie jedes Kunstwerk aus seiner Zeit heraus verstanden werden muss. „Der Film bildet gesellschaftliche Verhältnisse ab und stellt die Frage nach der richtigen Ausübung von Macht“, erklärt Strobel Eisenstein setzt sich in der Figur des Zaren auch mit Stalin auseinander, der wiederum ein großer Verehrer Iwans des Schrecklichen war. „Wie jedes großes Kunstwerk weist dieser Film aber auch über seine Zeit hinaus. Wir können daraus sehr viel über Russland lernen, auch über das heutige Russland.“

Zwei Stunden Musik müssen neu eingerichtet werden

Der erhaltene Film dauert etwa drei Stunden, dazu schrieb Prokofjew ungefähr zwei Stunden Musik. Das Originalmanuskript ist überliefert, das Notenmaterial liegt gedruckt vor und kann aufgeführt werden. Man sollte meinen, dass eine Aufführung problemlos wäre, aber nun begannen erst die Schwierigkeiten: „Wir stellten fest, dass in den Details vieles ganz anders war“, erzählt Strobel. „Andere Instrumentierung, andere Übergänge, große Abweichungen zum Originalmanuskript an vielen Stellen. Wir mussten uns also entscheiden, welche Version wir spielen möchten.“ Aus seiner langjährigen Erfahrung mit Filmmusik entschied Strobel sich schließlich für die Version, die auf der Tonspur des Films zu hören ist. „Auch heute wird bei der Aufnahme von Filmmusik bis zum Studiotermin immer wieder geändert, angepasst und variiert. Beim Schnitt wird dann nochmal geändert. Das Endprojekt hat oft nicht mehr viel mit der ersten Partitur zu tun. Das ist ein aufregender künstlerischer Prozess“, erläutert Strobel. Immer wieder musste aber auch pragmatisch entschieden werden, was für das Orchester spielbar ist. Auf das Rundfunk-Sinfonieorchester brauchte der Dirigent dabei eigentlich keine Rücksicht zu nehmen, denn durch zahlreiche Filmmusikprojekte mit Strobel sind die Musiker daran gewöhnt, sehr schnell auf seine Zeichen zu reagieren. Beim Live-Konzert wird die Musik nun endlich jene suggestive Kraft entwickeln kann, die bisher vom Rauschen und Knistern der alten Tonspur geschluckt wurde.

Konzerthaus, 16.9., 18.30 Uhr

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