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Die Mezzosopranistin Katarina Bradic.

© Doris Spiekermann-Klaas

Vor der Premiere: Barock an der Staatsoper: Liebe ist Schicksal

Katarina Bradic ist als Lavinia in der Barockoper „Amor vien dal destino“ heiß begehrt – zwei mythische Helden kämpfen im um die Königstochter

Entgegen einem verbreiteten Vorurteil steht gar nicht viel in den Noten, das sind bloß ein paar schwarze Punkte auf Papier. Das meiste müssen die Musiker selbst entscheiden, müssen versuchen, sich in die Klangwelt eines Komponisten zu versetzen und sie zum Leben zu erwecken. Das gilt in besonderem Maße, wenn nur eine handschriftliche Partitur aus der Barockzeit vorliegt, denn da kann man echte Überraschungen erleben. So erging es der Mezzosopranistin Katarina Bradic mit der Rolle der Lavinia in Agostino Steffanis Oper „Amor vien dal destino“. Selbst wer den Namen des von Cecilia Bartoli wiederentdeckten Komponisten kennt und sogar schon etwas von der Düsseldorfer Hofoper gehört hat, kann diese Oper nicht kennen, denn sie wurde seit der Uraufführung im Jahr 1709 nicht mehr gespielt. „Ich habe mir die Arien im Original angesehen und zugesagt“, erzählt Bradic und amüsiert sich fast ein bisschen über ihren Wagemut, „dann kam der Klavierauszug in moderner Schreibweise und ich war doch ein bisschen überrascht. Aber ich liebe solche Herausforderungen. Die Musik ist wunderschön und gibt uns Sängern große Gestaltungsmöglichkeiten.“

Cecilia Bartoli entriss den Komponisten Steffani der Vergessenheit

Der Dirigent René Jacobs ist bekannt dafür, immer wieder mit sicherer Hand Schätze der Musikgeschichte zu heben. Mit seinen Fassungen macht er dann Vorschläge, wie die Musik auch ein heutiges Publikum erreichen kann, ohne sich in musikwissenschaftlichen Details zu verlieren. Auch für Katarina Bradic steht der emotionale Gehalt einer Oper im Vordergrund: „Als Sängerin muss ich den Mut finden, meine eigene Persönlichkeit in der Musik zu zeigen, nur dann kann ich mein Publikum erreichen. Gerade in der Barockmusik kommt es ganz wesentlich auf das eigene Stilempfinden an, wenn ich in den Wiederholungen meine eigenen Verzierungen hinzufüge.“

Vor gut 300 Jahren wurde von Opernsängern ganz selbstverständlich erwartet, dass sie die Wiederholungen anders singen, alles andere wäre als entsetzlich langweilig empfunden worden Dabei ging es nicht in erster Linie um die reine Virtuosität des Koloraturgesangs, sondern vielmehr um die wahrhaftige Darstellung eines Charakters. Die verworrene Handlung vieler Barockopern erscheint uns heute kaum nachvollziehbar, und doch kann der Gesang gerade der kontemplativen Arien auch den modernen Menschen unmittelbar erreichen. „Von René Jacobs habe ich sehr viel über die stilistischen Eigenheiten dieser Musik gelernt“, erzählt Bradic. „Sehr schnell habe ich festgestellt, dass ich meine Bruststimme mehr nutzen muss, als ich es sonst mache würde. Das fügt meinem Gesang eine andere, eine neue Farbe hinzu.“

Sprinttempo und exzentrisches Finale

Als Lavinia steht sie zwischen den mythischen Helden Aeneas und Turnus, dem sie eigentlich versprochen ist. Eine typische Antikenoper mit klischeehaftem Fürstenlob nach einer Episode aus Vergils „Aenaeis“, so könnte man meinen. Aber am Düsseldorfer Hof des im Rheinland noch immer als Jan Wellem verehrten Kurfürsten wurde ein ganz eigener Stil gepflegt. Vielschichtige Charaktere werden durch Extremsituationen gejagt, als wäre der Librettist bei Händel in die Lehre gegangen, der mehrmals in Düsseldorf zu Gast war und ebenfalls von der Hofkapelle aufgeführt wurde, dem seinerzeit größten Orchester im Deutschen Reich. Entsprechend farbenreich ist auch die Partitur Steffanis ausgefallen, der ohne Budgetbeschränkung aus dem Vollen schöpfen konnte.

Mit der Akademie für Alte Musik sitzt ein Spitzenensemble im Orchestergraben, dem die hohen Anforderungen ganz sicher keine Probleme bereiten werden. Für alle Beteiligten ist eine Barockoper jedoch ein Marathonlauf, und zwar einer, der im Sprinttempo bewältigt werden muss, wie Katarina Bradic lachend betont: „In meiner letzten Arie gibt es harmonisch ganz exzentrische Passagen, wo man nicht genau weiß, wo die Reise hingeht. Das ist sehr aufregend für uns auf der Bühne, aber ganz sicher auch für das Publikum.“

Premiere 23.4., 18 Uhr, Staatsoper im Schiller-Theater

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