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Olaf Scholz steht mit dem ukrainischen Präsidenten und europäischen Amstskollegen bei einer Pressekonferenz.

© REUTERS/Valentyn Ogirenko

Tag 113 des Ukraine-Kriegs: EU-Beitritt ja, Waffen nein – Scholz reist mit konkreten Plänen nach Kiew

Die Ukraine soll Beitrittskandidat werden, Frankreich schickt sechs zusätzliche mobile Artilleriegeschütze. Der Überblick am Abend.

Er hatte immer gesagt, dass er nicht nur für einen Fototermin nach Kiew kommen wolle, sondern wenn es „um ganz konkrete Dinge“ gehe. Die Reise des Bundeskanzlers nach Kiew startete dann aber doch mit Bildern – gemeinsam im Zug mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem italienischen Regierungschef Mario Draghi.

Und dabei blieb es nicht: Scholz in Irpin, Scholz mit Selenskyj im Präsidentenpalast. Am Ende aber gab es zumindest in einem Punkt jene „konkreten Dinge“, über welche die Staats- und Regierungschefs mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sprechen sollten.

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Gemeinsam mit dem rumänischen Regierungschef Klaus Ihoannis sprachen sich die Drei dafür aus, die Ukraine zum EU-Beitrittskandidaten zu machen. Genauso wie die kleine Nachbarrepublik Moldau.

Diese Fürsprache, ein starkes gemeinsames Signal, kommt zwei Tage, bevor die EU-Kommission ihre Empfehlung diesbezüglich abgeben will.

Enttäuscht dürfte die Ukraine in einem anderen Punkt sein: in Bezug auf Waffenlieferungen. Immer stärker waren zuletzt Rufe aus Kiew nach stärkerer Unterstützung laut geworden, auch weil es vonseiten Deutschlands zu Verzögerungen kommt.

Doch Scholz machte in Kiew keine konkreten Zusagen für weitere Waffenlieferungen. Er zog lediglich Bilanz nach dem Motto: „Deutschland unterstützt die Ukraine massiv.“ Macron dagegen kündigte sechs zusätzliche Panzerhaubitzen an.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:

  • Nicht nur bei den Waffenlieferungen für die Ukraine hakt es: Ein neuer Report zeigt, dass die Auszahlung dringend benötigter Hilfen an Kiew stockt. Mit Blick auf die Wirtschaftskraft der Geber wirken Zusagen knausrig. Mehr hier. 
  • Zwei Männer aus dem US-Bundesstaat Alabama sollen im Gebiet um die ukrainische Stadt Charkiw verschwunden sein. Suchaktionen seien bislang erfolglos geblieben. Mehr hier.
  • Frankreich will sechs zusätzliche Panzerhaubitzen in die Ukraine schicken. "Zu den zwölf Caesar, die bereits geliefert sind, sollen in den kommenden Wochen sechs weitere hinzukommen", sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag in Kiew. Mehr in unserem Newsblog. 
  • Mit Blick auf die reduzierten Gas-Lieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 ist nach Aussagen von Gazprom-Chef Alexej Miller keine Lösung in Sicht. „Die Turbine liegt in der Fabrik, Siemens kann sie nicht abholen, und nicht alle anderen Turbinen passen“, sagte Miller am Donnerstag beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg. Der Chef des russischen Staatskonzerns betonte aber, dass die infolge von Russlands Krieg gegen die Ukraine stillgelegte Pipeline Nord Stream 2 theoretisch einsatzbereit sei.
  • Russland muss nach den Worten von Zentralbankchefin Elvira Nabiullina seine jahrzehntelange Abhängigkeit von Rohstoffexporten verringern. Notwendig sei eine strukturelle "Perestroika" (Umbau), sagte sie am Donnerstag bei der jährlichen Wirtschaftskonferenz in St. Petersburg. "Wir exportieren mit einem Abschlag und importieren mit einem Aufschlag", sagte die Ökonomin mit Blick auf die Sanktionen. Unter diesen Bedingungen sei es "natürlich notwendig", das bisherige Geschäftsmodell zu überdenken. "Ein bedeutender Teil der Produktion sollte für den heimischen Markt arbeiten", sagte die 58-jährige.
  • Die britische Regierung hat Sanktionen gegen das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche verhängt. Patriarch Kyrill habe „seine Position wiederholt missbraucht, um den Krieg in der Ukraine zu rechtfertigen“, begründete Außenministerin Liz Truss den Schritt am Donnerstag im Parlament in London. In der EU waren Sanktionen gegen den Patriarchen am Widerstand Ungarns gescheitert.
  • Die für die Ukraine bestimmten schweren Artilleriegeschütze aus Deutschland können nach Aussage von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht demnächst dorthin gebracht werden. „Die Ausbildung ist fast abgeschlossen. Und jetzt können die ukrainischen Soldaten, die daran ausgebildet wurden, mit den Panzer-Haubitzen dann auch in die Ukraine verlegt werden“, sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag im ZDF-„Morgenmagazin“.

Hintergründe und Analysen

1. Reise des Kanzlers in die Ukraine: Scholz will EU-Beitrittsstatus für Ukraine und Moldau

Der Kanzler, Frankreichs Präsident und der italienische Ministerpräsident sind, massiv abgesichert, per Zug nach Kiew gereist. Was bringen sie mit?

2. Volle Auftragsbücher bei Waffenproduzenten: Der Ukraine-Krieg überfordert auch die Rüstungsindustrie (T+)

Der Krieg in der Ukraine verbraucht Unmengen an Militärmaterial. Ob die Rüstungsbranche dies stemmen kann, ist fraglich. Ebenso wie sehr sie bereit ist, Technologie zu liefern, die in falsche Hände geraten kann.

3. Kanzler besuchte Irpin und Kiew: Scholz blickt nun mit anderen Augen auf den Krieg

Streng genommen absolvierte der Kanzler die Fototermine, die er nicht wollte. Doch die Eindrücke werden seine Ukraine-Politik beeinflussen. Ein Kommentar.

4. Von Russland lernen heißt verlieren lernen?: Die Lehren für Xi Jinping aus dem Ukraine-Krieg (T+)

Die Mängel der russischen Streitkräfte ähneln denen von Chinas Volksbefreiungsarmee. Ihr Einsatz dient Peking als abschreckendes Beispiel. Ein Gastbeitrag.

Dana Schülbe

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