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Direkt vor der Landesvertretung Brandenburgs wird getestet.

© Felix Hackenbruch

60 Euro für 92 Prozent Verlässlichkeit: Gesundheitsexperten raten von privaten Antikörpertest ab

In Mitte bietet eine Praxis auf private Kosten Antikörpertest gegen das Coronavirus an. Die Betreiber versprechen rasche Ergebnisse, Anwohner sind besorgt.

Seit einigen Tagen machen sich Daniel Dagan und seine Nachbarn rund um die Voßstraße Sorgen. Hauptsächlich ältere Menschen würden hier mitten im Regierungsviertel hinter der Mall of Berlin, leben. Teilweise schon seit DDR-Zeiten. "Jetzt haben einige Angst", sagt Dagan, Vorsitzender der gemeinnützigen Bürgerinitiative Wilhelmstraße.

Der Grund für die Beunruhigung steht auf dem Parkplatz der Voßstraße Nummer 12. Wie seit dem Wochenende bekannt, bietet das Ärztehaus Mitte hier in einem weißen Zelt seit Mittwoch den ersten privaten Corona-Test-Drive-In an. Patienten kommen mit dem Auto und fahren durch den Drive-In. Anders als bislang berichtet, werden allerdings keine Rachenabstriche durchgeführt, sondern Antikörpertests. Mit solchen Bluttests lässt sich feststellen, ob man sich bereits mit dem Virus infiziert hat und der Körper Antikörper dagegen entwickelt hat.

Ergebnisse gibt es nach 10 bis 15 Minuten

"Mit etwas Blut aus der Fingerkuppe erhalten Sie innerhalb von zehn Minuten das vorläufige Ergebnis", informiert das Ärztehaus auf seiner Internetseite. Dafür werden dann 60,04 Euro für Kassen- und 99,09 Euro für Privatpatienten fällig.

Laut Robert Koch-Institut sind solche Antikörpertests aber noch in der Zulassungsphase. Die Weltgesundheitsorganisation warnt, dass Antikörpertests anfällig für falschpositive Ergebnisse sind - zum Beispiel wenn jemand eine Infektion mit einem gewöhnlichen Erkältungs-Coronavirus hinter sich hat. Dann könne der Test positiv ausfallen, obwohl ein Patient nicht mit Sars-CoV-2 infiziert war. Problematisch wird das, wenn sich Menschen dadurch in falscher Sicherheit wiegen und denken, sie sind immun.

"Viele Menschen wollen diese Tests"

Das Ärztehaus versichert auf Tagesspiegel-Nachfrage, dass die Patienten umfassend aufgeklärt werden. Der Hersteller gebe die Genauigkeit des Testergebnisses mit 92 Prozent an. "Ich denke, das ist eine vertretbare Größe", sagt der Anwalt Markus Hennig, der die Fragen für das Ärztehaus beantwortet. "Viele Menschen wollen diese Tests, sie werden stark nachgefragt." Bisher sei in der Praxis getestet worden. Wegen der Ansteckungsgefahr habe man die Teststelle nach draußen ausgelagert.

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Im Gesundheitsamt Mitte beobachtet man die Entwicklung in der Voßstraße. Man habe einen Hygieneplan angefordert, teilt Stadtrat Ephraim Gothe (SPD) mit. Eingetroffen ist er bislang nicht. Baurechtlich sei an dem Zelt auf dem Parkplatz nichts einzuwenden, allerdings ist Gothe skeptisch über das Angebot. "Die Aussagekraft von Antikörpertests ist relativ." Grundsätzlich begrüße der Bezirk aber „alle Initiativen, die bei der Pandemie-Bekämpfung helfen können“.

Grundsätzlich können aus solchen Testreihen wichtige Schlüsse gezogen werden. Die Uniklinik München untersucht derzeit das Blut von 5000 zufällig ausgewählten Menschen auf Antikörper, in Italien ist eine Studie mit 150.000 Menschen geplant. Die Wissenschaftler erhoffen sich dadurch mehr Klarheit über die Dunkelziffer von Corona-Infektionen in der Bevölkerung. Das MVZ Ärztehaus plane bisher allerdings nicht, die Daten für solche Studien einzusetzen.

"Geschäft mit der Gesundheit"

Der gesundheitspolitischer Sprecher der Linken im Abgeordnetenhaus, Wolfgang Albers, hält nicht viel vom neuen Angebot im Regierungsviertel. "Da wird mit Gesundheit ein Geschäft gemacht. Der Boden der Angst ist dafür gemacht", sagt Albers, der selbst Arzt ist. Ähnliches beobachte er bereits mit Medizinprodukten, Beatmusgeräten und Schutzartikeln, deren Preise in der Coronakrise förmlich explodiert sind.

Nun also auch die Tests. Bislang gebe es keinen Autoimmuntest, der wirklich verlässlich sei. "Die Seriosität ist nicht wirklich gesichert. Die Zeit ist noch nicht reif", sagt Albers. Als Arzt würde er seinen Patienten davon abraten.

Daniel Dagan hat inzwischen der Gesundheitssenatorin geschrieben. Er hält den Standort der Teststelle für ungeeignet. Der Parkplatz sei zu eng, direkt daneben gebe es einen Spielplatz und einen Kindergarten. "Die Leute gehen sich erst testen, dann zum Shoppen in die Mall of Berlin. Das gefällt uns Anwohnern nicht."

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