zum Hauptinhalt
Berlin am 1. Juli 1988: Die Besetzer des Lenné-Dreiecks am Potsdamer Platz flüchten vor der West-Berliner Polizei über die Mauer. Im Rahmen eines Gebietsaustausches mit der DDR wurde das Gebiet an diesem Tag an West-Berlin übertragen.

© imago/Peter Homann

Berlin 1988: Als die Mauer noch ewig schien

Der Roman "1988" von Uwe Rada lässt West-Berlin noch einmal auferstehen. Dazu gibt es eine Ausstellung.

Die Zeit hielt schon den Atem an, und keiner merkte es. Niemand konnte 1988 ahnen, weder im ummauerten West-Berlin noch im polnischen Krakau, das ein Jahr später alle ehernen Gewissheiten, alle Grenzen zerfallen würden.

Eine verrückte Zeit in jenem West-Berlin, dass Uwe Rada in seinem ersten Roman beschreibt. Eine Nicht-Zeit, als im Vorposten der westlichen Freiheit alles in rasender Bewegung schien, obwohl im Schatten der Mauer eigentlich Stillstand herrschte, nimmt hier im Rückblick aus dem Heute noch einmal Gestalt an.

Dreißig Jahre nach der damaligen Begegnung mit der rätselhaft-flirrenden Polin Wiola - ist es Freundschaft, ist es Liebe? - fährt der ehemalige Kreuzberger Linksradikale Jan erneut nach Krakau, dem Wohnort dieser schicksalshaften Liebe.

Der Roman des taz-Redakteurs und ausgewiesenen Polen-Kenners besticht durch seine atmosphärisch dichte und lebendige Beschreibung dieses merkwürdigen linksradikalen Biotops in Kreuzberg. Da sind die politisierenden Wohngemeinschaften und durchzechten Nächte am „Lauseplatz“. Da ist das Hüttendorf im Niemandsland, als das noch zur DDR gehörende, zwar auf der West-Seite der Mauer, doch außer Reichweite der West-Polizei liegende „Lenné-Dreieck“ besetzt wurde - genau dort, wo heute der Potsdamer-Platz längst wieder auferstanden ist.

Bilder kommen hoch von Orten, die zum Inventar der Halbstadt gehörten und nach dem Fall der Berliner Mauer alsbald untergingen.

Ein Berlin-Roman - würde nicht zugleich jenes Polen lebendig, als die streikenden Stahlarbeiter in Nowa Huta die Staatsmacht herausforderten und um eine Zukunft in Freiheit rangen. Ein Polen, weit entfernt von heutigen Verhältnissen. Eine sehr lesenswerte und fein gesponnene Geschichte über vergangene Zeiten, verschwundene Grenzen und verblasste Leidenschaften.

Uwe Rada: 1988. edition.fotoTapeta, Berlin. 256 Seiten, 18,50 Euro

Das Buch ist auch Anlass zu einer Ausstellung im Friedrichshain-Kreuzberg Museum, Adalbertstraße 95 a in Kreuzberg (13. April bis 3. Juni, Di–Fr 12–18 Uhr, Sa/So 10 –18 Uhr, Eintritt frei). Die Ausstellung kombiniert Zitate aus dem Buch mit Fotos von Ann-Christine Jansson, die von Uwe Rada beschrieben Orte in Berlin und Polen zeigen. Am 27. April, 19.30 Uhr, gibt es eine von Uwe Rada moderierte Podiumsdiskussion zu der Frage: War 1988 nur ein Prolog für die friedliche Revolution in Europa oder mehr? Und welchen Bogen schlägt es in die Gegenwart? Es diskutieren Dorota Danielewicz (Schriftstellerin), Simone Schmollack (Chefredakteurin des "Freitag") und Gerd Nowakowski (Leitender Redakteur beim Tagesspiegel).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false