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Praktika sind beim Pflegefachstudium lang und Pflicht. Doch sie werden nicht bezahlt.

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Ausbildung mit Durststrecken: „Die Akademisierung der Pflege darf nicht scheitern“

Studierende in Pflegeberufen können ihre Ausbildung finanziell kaum stemmen. Ihre Sorgen und die ihrer Ausbilder waren jetzt Thema bei einem Parlamentarischen Abend.

Die Kombination aus Biologie und Menschenliebe ist es, die Ashley Großer an ihrem Studienfach besonders begeistere. Sie sagt: „Ich mag die Pflege, ich habe dieses Studium aus Interesse gewählt.“ Inzwischen ist sie im vierten Semester.

Nach sieben Semestern an der Alice-Salomon-Hochschule (ASH) wird Ashley Großer in der primärqualifizierenden Studienform zwei Abschlüsse in der Tasche haben: den als staatlich anerkannte Pflegefachfrau und einen Bachelor of Science – unter der Voraussetzung, dass sie diesen anstrengenden Weg zwischen wissenschaftlichen Vorlesungen, „Skill-Labs“ an der Hochschule und praktischen Einsätzen in Kliniken und Pflegeeinrichtungen durchhält.

Auch finanziell sei das für viele schwierig, weil die langen Pflichtpraktika nicht vergütet werden und man es unmöglich schaffen könne, nebenbei noch zu jobben, berichtet Großer. Das unterscheidet derzeit den akademischen Weg in die Pflege vom klassischen dreijährigen Ausbildungsweg mit Ausbildungsvergütung, der inzwischen „generalistisch“ ist, also die alten Ausbildungsberufe Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und Altenpflege umfasst.

Bundesweit liege die Abbrecherquote in den grundständigen Pflegestudiengängen bei über 50 Prozent, berichtet Annedore Bohrer, die den entsprechenden Studiengang an der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB) leitet. Einen dritten gibt es an der Charité. An der EHB sind derzeit nur 50 Studierende für den Pflege-Studiengang eingeschrieben, 120 könnte man insgesamt aufnehmen. „Das können wir uns als Gesellschaft nicht leisten.“

Attraktive Berufspfade werden gebraucht

Die Sorgen der Studierenden beider Hochschulen und ihrer Dozent:innen kamen bei einem Parlamentarischen Abend an der ASH zur Sprache, zu dem Mitglieder des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung des Berliner Abgeordnetenhauses am Mittwoch geladen waren.

Die Abgeordneten Tobias Schulze (Linke) und Stefan Förster (FDP) waren sich in wesentlichen Punkten einig: Man müsse die Vorteile eines Pflege-Studiums mehr nach außen tragen und die Rahmenbedingungen dafür erleichtern, forderte Förster. Es gehe um nicht weniger als einen Paradigmenwechsel, konstatierte Schulze. „Die Akademisierung der Pflege darf nicht scheitern. Wir brauchen dafür finanziell jetzt schnelle Lösungen und grundsätzlich auch attraktive Berufspfade.“

Die Akademisierung der Pflege darf nicht scheitern.

Tobias Schulze, Abgeordneter der Linken

Ansätze für Ersteres gibt es: Einem Brandbrief der Studierenden folgte im Wissenschaftsausschuss eine längere Anhörung, vom Abgeordnetenhaus wurden schließlich Geld für die Finanzierung der Praxisphasen bereitgestellt. „Derzeit wird noch geprüft, wie das Geld zu den Studierenden kommt“, berichtete Schulze. Das könne etwa durch das Studierendenwerk geschehen. „Das Ganze sollte eigentlich schon gestern passiert sein, wir haben über ein halbes Jahr verloren.“

Der Wissenschaftsrat hatte schon im Jahr 2012 in „Empfehlungen zur hochschulischen Qualifikation für das Gesundheitswesen“ gefordert, dass zehn bis zwanzig Prozent der in Pflege- oder Therapieberufen Tätigen ihre Qualifikation künftig durch ein Studium erlangen sollten.

Vorbilder in der Akademisierung sind Länder wie die Niederlande, die Schweiz, Dänemark und Schweden. Die HQGplus-Studie, ein Update von 2022, das von Else Kröner-Fresenius-Stiftung, Heinz Nixdorf Stiftung und Robert Bosch Stiftung gefördert wurde, ergab jedoch, dass nur 3,2 Prozent der Absolvent:innen der letzten Pflege-Ausbildungsjahrgänge den Bachelor gemacht haben. Dagegen studiert inzwischen über die Hälfte des Hebammen-Nachwuchses.

In seinem Update thematisiert der Wissenschaftsrat auch, dass „spezifische Rollen und Aufgabenfelder für hochschulisch Qualifizierte im Miteinander mit fachschulisch qualifiziertem Gesundheitsfachpersonal und anderen Gesundheitsberufen“ bislang kaum entwickelt und in nur wenigen Einrichtungen etabliert seien.

„Wir müssen über Berufsperspektiven, aber auch über Fragen wie das Promotionsrecht reden“, forderte Johannes Gräske, der den Studiengang Pflege an der ASH leitet, beim Parlamentarischen Abend. Seine Kollegin Annerose Bohrer von der EHB betonte bei dieser Gelegenheit, wie viel pflegewissenschaftliches Wissen in den letzten Jahrzehnten gewonnen wurde. In dieser Hinsicht ist die Pflege längst „akademisiert“, das machten die Vertreter der Hochschulen deutlich.

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