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Kaum war das Besucherzentrum mit dem passenden Namen Check-In im Februar eröffnet, musste es wegen der Pandemie schließen.

© imago/Klaus Martin Höfer

Ausstellung im ehemaligen Terminal: Im Flug durch die Tempelhofer Flughafengeschichte

Freizeitvergnügen, Zwangsarbeit, Luftbrücke und Urlaubsflieger: Das neue Besucherzentrum des Flughafens Tempelhof zeigt eine eindrucksvolle Ausstellung.

Seit zehn Jahren starten keine Maschinen mehr vom Flughafen Tempelhof und dennoch gibt es jetzt ein neues Check-In: Links neben dem alten Haupteingang befindet sich seit Mitte Februar das neue Besucherzentrum des Flughafens Tempelhof. Doch kaum war es eröffnet, schlug Corona zu. Jetzt kann man das Check-In wieder besuchen.

Rollfeldmarkierungen auf dem Fußboden schaffen Flughafenatmosphäre. Blickfang in dem großen Raum ist eine riesige Leinwand, auf der in Endlosschleife eine Diashow über die Geschichte dieses einmaligen Gebäudes läuft.

Gleich rechts vom Eingang befindet sich eine weitere Breitwandfilminstallation, die den Flughafen aus der Perspektive eines Flugkapitäns zeigt, der seine Maschine auf dem Rollfeld zum Hangar fährt – Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Die gelben Sitzpolster, die sonst den Raum füllen, sind rechts an den Säulen gestapelt – Corona diktiert die Verhältnisse. Buchungen von Führungen durch das Gebäude sind aber dennoch wieder möglich.

Mit dem „Check-In“ öffnet sich der Flughafengesellschaft eine dauerhafte Ausstellungsfläche, auf der sie über verschiedene Aspekte und künftige Projekte des Transformationsprozesses des Flughafengebäudes informieren kann. Zur Eröffnung ist im Check-In noch einmal die Ausstellung „Ein weites Feld“ zu sehen, die die Stiftung Topographie des Terrors im Europäischen Kulturerbejahr schon einmal hier im Gebäude an anderer Stelle gezeigt hat.

Das Freizeitvergnügen war schon vor 100 Jahren wichtig

Dennoch lohnt der Besuch in der neuen Umgebung. Mit großen Fotos wird die Geschichte des Flughafens in verschiedenen Kapiteln dargestellt. Von Anfang an war das Tempelhofer Feld militärisch geprägt als Parade- und Exerzierplatz und seit Beginn der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts testete das preußische Militär hier die Luftschifffahrt für seine Zwecke.

Frühe Fotos zeigen die zwei Seiten des Ortes: Am 6. September 1909 unternimmt der Flugpionier Orville Wright einen spektakulären Flug mit seinem Motordoppeldecker, drei Jahre zuvor lässt ein Mädchen mit seinen Eltern Drachen steigen, das Freizeitvergnügen in der immer dichter besiedelten Stadt war schon vor 100 Jahren wichtig wie heute auf dem Tempelhofer Feld.

Das neue Besucherzentrum.
Das neue Besucherzentrum.

© promo

Am 8. Oktober 1923 eröffnete der Flughafen seinen Betrieb und 1926 startete die neu gegründete Luft Hansa zu ihrem ersten planmäßigen Flug nach Zürich. Die politische Rechte nutzte das Feld schon früh für Massenveranstaltungen, Fliegerlegenden wie Ernst Udet und Vera von Bissing traten bei Flugschauen auf, die tausende Berliner anlockten. „Luftfahrt und Propaganda 1933-1945“ ist dieses interessante Kapitel überschrieben, das den hohen Grad der Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten dokumentiert. Zeltlager der Hitler-Jugend und Eintopfessen für das NS-Winterhilfswerk sind vielleicht ungewöhnliche Veranstaltungen auf einem Flughafen, aber sie prägen das Bild von Tempelhof.

In einem KZ wurden mehr als 8000 Männer inhaftiert

Eher im Verborgenen lag eine ehemalige militärische Arrestanstalt am Nordrand des Tempelhofer Feldes, die vom Frühsommer 1933 an als Haftanstalt der Gestapo für politische Gefangene genutzt wurde. 1935 wurde das sogenannte Columbia-Haus in das System der Konzentrationslager eingebunden.

Bis zu seinem Abriss wegen der Flughafenerweiterung wurden in diesem KZ mehr als 8000 Männer vorübergehend in 156 stets überfüllten Zellen inhaftiert, bis sie in das KZ Sachsenhausen überführt wurden. Das ist das düsterste Kapitel der Flughafengeschichte, das erst 2012 durch Ausgrabungen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit drang.

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Von Lagerkommandant Karl Koch, der hier wie viele andere seine KZ-Karriere begann, sind Fotos aus zwei Fotoalben zu sehen, die mit zynischen Kommentaren den Lageralltag dokumentieren. Hier zwang er politische Gefangene, in sogenannten Singstunden, nationalsozialistische Lieder zu singen. Gezeigt werden auch Gefangene, die die Tortur überlebt hatten, wie der Künstler Wolfgang Szepansky oder der Schlagertexter Hugo Balz, der wegen seiner Homosexualität eingesperrt wurde.

Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wohnten in Baracken

Das nächste Kapitel heißt „Großbaustelle Tempelhof 1935-1939“ und zeigt die gigantomanischen Pläne für den „Weltflughafen“, in dem dann von 1940 bis 1945 Zwangsarbeiter die gefürchteten Sturzkampfbomber „Stuka“ montierten. Ein beeindruckendes Foto zeigt zwei Reihen von Bombern, die unter dem Dach der Vorfeldhalle, die zur Fabrikhalle umfunktioniert wurde, zusammengebaut wurden.

Wo nach dem Krieg die Filmstars den Flugzeugen entstiegen, wurden fünf Jahre lang todbringende Bomber gebaut. Etwa 3000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wohnten in Baracken der „Lufthansa“ und der „Weser“ Flugzeugbau unter fürchterlichen Bedingungen auf dem Tempelhofer Feld. Viele Zeitzeugen kommen in der Ausstellung zu Wort, ihre Habseligkeiten und Fotos vermitteln ein ganz anderes Bild des Geländes.

Viele Besucher waren bei der Eröffnung des Besucherzentrums CHECK-IN am Flughafen Tempelhof dabei.
Viele Besucher waren bei der Eröffnung des Besucherzentrums CHECK-IN am Flughafen Tempelhof dabei.

© Annette Riedl/dpa

Eindrucksvoll sind auch die Einblicke in den US-Luftwaffenstützpunkt, der sich von 1945 bis 1994 auf dem Flughafen befand. Fotos zeigen lässig posierende US-Soldaten 1946 vor ihren Maschinen. Hier landeten am 8. Mai 1945 die deutschen Offiziere um Wilhelm Keitel, um die Kapitulation zu unterschreiben, von hier aus starteten noch 1991 US-Soldaten zu „Operation Desert Storm“ im Irak. Eine eindrucksvolle Aufnahme von Tagesspiegel-Fotochef Kai-Uwe Heinrich zeigt die wartenden Transportmaschinen und die gefechtsbereiten Soldaten.

Aufbruch in die Zukunft

Die Luftbrücke war die Glanzzeit des Flughafens, der danach als „Tor zur Freiheit“ in jeder Hinsicht gefeiert wurde. Von hier aus flogen die Berliner in die Bundesrepublik, hier landeten aber auch entführte Maschinen der polnischen Gesellschaft LOT.

„Aufbruch in die Zukunft – Nach 1989“ heißt das letzte Kapitel, das vom Abzug der Alliierten, der kurzen Phase des erneuten Flugverkehrs und der endgültigen Schließung 2008 handelt. Tempelhof war immer mehr als nur ein Flughafen, er war ein Brennpunkt deutscher und internationaler Geschichte wie kein zweiter in Deutschland.

Mehr Informationen und alle Fotos der Ausstellung finden sich im Katalog, der für 16 Euro im „Check-In“ erhältlich ist. Montag bis Freitag 13 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag 10 bis 16 Uhr. Eintritt frei. www.thf-berlin.de

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