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Das Baumhaus von Osman Kalin an der ehemaligen Mauer am Bethaniendamm ist eine Attraktion.

© Thilo Rückeis

Berlin-Kreuzberg: Baumhaus an der Mauer soll Museum werden

Osman Kalin, Gründer des Baumhauses am Bethaniendamm, ist gestorben. Sein Sohn möchte jetzt Touristen durch die Hütte führen.

Die Berliner Mauer hat die türkisch-deutsche Familie Kalin weltweit bekannt gemacht, jetzt soll ihre Geschichte in einem Museum gezeigt werden. Das Museumsgebäude gibt es schon: Das aus Sperrmüll und Baustellenresten zusammengezimmerte Baumhaus auf dem ehemaligen Grenzstreifen zwischen Mitte und Kreuzberg. Bis das Haus für Touristen geöffnet werden kann, werde allerdings noch einige Zeit vergehen, erklärte Mehmet Kalin, der Anfang der 1980er Jahre zusammen mit seinem Vater Osman die ersten Bretterwände gezimmert hat. „Das muss vom Senat noch genehmigt werden.“

Mehmet Kalin kann sich gut vorstellen, seinen Job als Straßenbauer gegen den eines Museumsleiters einzutauschen, am Haus könnte man Postkarten mit alten Fotos und Getränke verkaufen, oder auf dem ehemaligen Mauerstreifen selbst gezüchtetes Gemüse. Das Geschäft mit der Berliner Mauer ist ein Selbstläufer. Inhalt des Museums wären vor allem die Geschichten, die Kalin erzählen kann.

Bisher gibt es nur diese Info-Tafel am Baumhaus.

© Thilo Rückeis

Das Baumhaus entstand, weil Osman Kalin eine Beschäftigung für den Ruhestand suchte. Sein Blick aus dem Fenster seiner Wohnung am Kreuzberger Bethaniendamm fiel auf einen kleinen, vernachlässigten Winkel an der Mauer. Dort wucherte Unkraut über Schutt und Müll. Osman Kalin entschied, hier Zwiebeln und Knoblauch anzubauen, und niemand hinderte ihn daran. Dass sein Gemüse auf dem Territorium der DDR gedieh, weil die Mauerlinie nicht genau der Grenze folgte, ahnte er nicht.

Der Kreuzberger Mehmet Kalin (rechts) mit seinem Nachbarn von Gegenüber aus Mitte, Rudolf Konschak. Das Foto entstand 2010.

© Mike Wolff

Eines Tages kamen Grenzsoldaten durch eine Mauerluke, um die Besitzverhältnisse zu klären und zu kontrollieren, dass nicht heimlich an einem Fluchttunnel gegraben wird. Man freundete sich an und tauschte Geschenke aus. Als die Mauer verschwand, blieb Osmans Garten übrig und wurde zum Medienereignis. Inzwischen gehöre das Grundstück – laut Wikipedia 350 Quadratmeter groß, ehemals eine begrünte Verkehrsinsel – seiner Familie, erzählt Kalin. Sein Vater Osman sei im April gestorben, jetzt kümmern sich seine sechs Kinder um das Baumhaus, das eigentlich nur eine Bretterbude ist, die sich an einen Baum lehnt.

Mit der Statik dürfte es Probleme geben

Das ist auch das Hauptproblem vor einer Museumsgründung. Kein Statiker hat dem geduldeten Schwarzbau jemals eine Prüfplakette verliehen. Bevor Kalin Touristen durch sein Refugium schleusen darf, wären wohl erhebliche Umbauten nötig. Verkaufen an einen Immobilienhai werde er jedenfalls nicht, versichert er. Das würde auch einen mittleren Proteststurm in Kreuzberg auslösen.

Das Baumhaus gehörte nach der Wende zum Bezirk Mitte, aber mental eigentlich nach Kreuzberg, hatte der frühere Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) erklärt. Der Pfarrer der benachbarte Thomas-Kirche und viele Kreuzberger Initiativen hatten sich für ein Bleiberecht der Hütte stark gemacht, während der Bezirk Mitte das Grundstück eigentlich räumen lassen wollte. 2004 wurde eine Gebietsübertragung vereinbart, ganz nach dem Vorbild der Ost-West-Tauschgeschäfte vor der Wende, laut Wikipedia wurde die Abtretung nach Kreuzberg aber nie vollzogen.

Eigentlich gehört das Baumhaus unter Denkmalschutz

Kann den Touristen, die nach absurden Mauerstorys gieren, auch egal sein. Ob ihn die vielen Gruppen, die vor seinem Haus aufgeklärt werden, nicht in seiner Privatsphäre stören? Mehmet Kalin weist solche Gedanken weit von sich. Meistens ackere er ja ohnehin in den Gemüsebeeten, und überhaupt „freut es mich, den Menschen zu begegnen“. Wer könnte besser als Mehmet Kalin, 53, Sohn eines anatolischen Gastarbeiters, den meist ziemlich unspektakulären Alltag an der Berliner Mauer beschreiben?

Eigentlich gehört das Baumhaus unter Denkmalschutz gestellt, die Stiftung Berliner Mauer könnte es in ihren Bestand aufnehmen, als weiteres Mahnmal neben Bernauer Straße und East Side Gallery. Vielleicht hat es aber auch als Privatmuseum eine große Zukunft, wie das Haus am Checkpoint Charlie. Die Kalins haben sich auf jeden Fall schon jetzt als unermüdliche, gärtnernde Sachwalter der Berliner Geschichte verdient gemacht.

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