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Im Blick. In Kinos läuft gerade der Liebesfilm „Blau ist eine warme Farbe“, gleichzeitig diskutieren viele Menschen über das Outing des Fußballers Thomas Hitzlsperger.

© picture alliance / dpa

Beratung für Homosexuelle in Berlin und Brandenburg: Hitzlsperger ist nicht allein

Nachdem sich der frühere Nationalspieler geoutet hat, erhalten Anlaufstellen wachsenden Zuspruch. Viele Ehrenamtliche engagieren sich für ratsuchende Schwule und Lesben.

Die Mitarbeiter und ehrenamtlichen Helfer trauten ihren Augen nicht. Die Männer, die zur Beratung in die Mommsenstraße 45 kamen, waren 89 und 91 Jahre alt. „Sie waren seit 60 Jahren ein Paar und umschrieben ihre Liebe mit folgenden Worten: ,Wir haben anders Kontakt.‘“ Es sind überraschend alte, auch verheiratete Männer sowie Jugendliche, die sich an die Berliner Schwulenberatung in Charlottenburg wenden. Seit der bis vor kurzem aktive Spieler der Fußballnationalmannschaft Thomas Hitzlsperger die Weltöffentlichkeit sogar mit einem Video auf Englisch auf Youtube offensiv über seine Homosexualität aufgeklärt hat, klingeln die Telefone häufig. „Künftig rechnen wir mit mehr Nachfragen, auch weil das Thema öffentlich immer präsenter ist“, sagt Geschäftsführer Marcel de Groot.

Derzeit sind dort 110 Mitarbeiter angestellt, etwa als Berater, bei der Therapie seelischer Probleme oder zur Stärkung beim Coming-out als Bi-, Homosexueller oder transidenter Mensch. Genauso viele Ehrenamtliche engagieren sich bei Hausbesuchen, als Berater in Rechts- und Rentenfragen oder bei der HIV-Prophylaxe.

Laut de Groot seien etwa fünf bis zehn Prozent aller Menschen nicht heterosexuell veranlagt. „In Berlin ist der Prozentsatz aber höher, weil viele Leute vom Dorf oder aus dem Ausland in die vergleichsweise tolerante Großstadt ziehen.“ Während in rund 70 Ländern der Welt Homosexualität unter Strafe stehe und in einem knappen Dutzend die Todesstrafe vollstreckt werde, biete Berlin einen geschützten Raum. Jährlich gebe es dennoch 5000 Beratungsgespräche für Menschen mit Hilfebedarf, Tendenz steigend. Der Bedarf sei groß, die Suizidrate beispielsweise unter Jugendlichen höher.

Denn in der Schule würden Kommentare beim Sport wie „Das war ein schwuler Pass“ Schülern vermitteln, dass Menschen dieser Orientierung weniger wert seien. Studien zufolge würden sich 50 Prozent aller Schwulen selbst in einer Stadt wie Berlin am Arbeitsplatz nicht outen, sagt de Groot: Weil sie Getuschel, Lästereien und berufliche Nachteile befürchteten, „und weil sie oft als Menschen wenn nicht zweiter, dann doch als 1,5ster Klasse angesehen werden“. Bei vielen sei es auch ein langer Prozess der Selbstfindung, gerade wenn sich Vorlieben im Laufe des Lebens überraschend änderten. Manche würden ihr Privatleben auch als Privatsache betrachten und würden nicht auf diesen einen Aspekt reduziert werden wollen.

Zwar wollen mehr TV-Serien neuerdings mit Lesbencharakteren Quote machen – und auch entsprechende Kinofilme laufen. „Doch unsere Erfahrung ist, dass es in der Region noch viel subtil Diskriminierendes gibt, was man nicht so leicht greifen kann“, sagt eine Mitarbeiterin der Lesbenberatung. Sie verweist aber auf die vielen Hilfsangebote, die die Stadt den diversen Zielgruppen biete.

Wohin man sich wenden kann

Ein Motiv der Aktion „Mundpropaganda“.
Ein Motiv der Aktion „Mundpropaganda“.

© GQ/dpa

Anlaufstellen
Die Schwulenberatung für Jungen, Männer, Freunde und Familie hat die Rufnummer 233 69070. Mann-o-Meter hat die Nummer 2168008. Die Lesbenberatung ist unter 215 20 00 zu erreichen. Türkischstämmige oder arabische Berliner, die sich outen, werden oft von der Familie verstoßen. Es hilft Gladt e.V., Telefon 26 55 66 33. An Russen und Ostereuropäer richtet sich www.quarteera.de. In Schulen gehen Ehrenamtler von „ABqueer“, 92250844, und von Lambda: 282 79 90. Zudem gibt es die Angebote des Lesben- und Schwulenverbandes: Über die zentrale Nummer 22 50 22 15 erreichen Menschen Beratungs- und Informationsangebote für die Bereiche Schule, Fußball, Regenbogenfamilien und Migration.

Anti-Homophobie-Aktion
Viele Jugendliche diskutieren über die vor Olympia und Paralympics 2014 auch online gestartete Kampagne „Mundpropaganda“:
Es küssen sich Prominente wie August Diehl, Herbert Grönemeyer, Thomas D., Moses Pelham oder Joko und Klaas demonstrativ gegen Homophobie - die Aktion wurde vom Magazin GQ gestartet:

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