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Brigitte Zypries, Vorsitzende der Expertenkommission und Karl Max Einhäupl, Vorstandsvoritzender der Charité, legten den Abschlussbericht zu den Missbrauchsvorwürfen vor.

© dpa

Bericht zur Charité: Zypries: Angemessener Umgang mit Missbrauchsvorwurf

Die Expertenkommission der Charité hat ihren Abschlussbericht vorgestellt. Im Umgang mit dem Missbrauchsvorwurf im vergangenen Jahr bescheinigte sie nun der Klinik "sachgerecht" gehandelt zu haben.

Die hochkarätige Kommission, die nach Missbrauchsvorwürfen an der Charité eingesetzt worden war, hat ihren Abschlussbericht vorgestellt. Unter der Leitung der früheren Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) bescheinigten die Kinderschutz- und Pflegeexperten der Universitätsklinik im Umgang mit dem Vorwurf gegen einen Pfleger im vergangenen Jahr ein angemessenes Vorgehen. Man sei „der Auffassung, dass der Anlassfall in der Charité sachgerecht behandelt wurde“, sagte Zypries im Beisein von Charité-Chef Karl Max Einhäupl. Dazu zähle, dass die Klinikleitung den beschuldigten Pfleger nicht sofort angezeigt, sondern erst befragt hatte. Dies entspräche geltendem Recht.
Nachvollziehbar sei außerdem, dass Einhäupl erst einige Tage nach dem Vorfall unterrichtet worden war. Die landeseigene Klinik beschäftigt 13 000 Mitarbeiter und versorgt auf vier Standorten pro Jahr insgesamt 730 000 Patienten. „Das sind Größenordnungen einer Stadt“, sagte Zypries. Eine so große Einrichtung müsse funktionieren, ohne dass der Vorstandsvorsitzende sofort informiert werde. Allerdings schränkte sich Zypries selbst ein: Weil die Presse auf die Charité „ein besonderes Auge“ geworfen habe, wäre es in solchen Fällen besser, der Chef werde persönlich unterrichtet.

Wie berichtet, soll im vergangenen November ein 58 Jahre alter Pfleger eine 16-Jährige auf dem Charité-Campus in Wedding im Intimbereich berührt haben. Der Mann wurde umgehend suspendiert, die Jugendliche hatte ihrem Vater von dem Vorfall erzählt. Bevor die Klinik die Öffentlichkeit informierte, berichteten Medien darüber. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen mutmaßlichen Missbrauchs von Amts wegen, denn weder Eltern noch Tochter wollten Anzeige erstatten. Inzwischen sind diese Ermittlungen eingestellt. Die Jugendliche hatte trotz mehrerer Bitten nicht mit der Staatsanwaltschaft gesprochen.
Zwei weitere Ermittlungen gegen den Mann laufen allerdings noch. Der Pfleger war nach Bekanntwerden des Vorwurfes von anderen Frauen angezeigt worden. Er ist seit 40 Jahren an der Charité beschäftigt. Wenn sich diese Vorwürfe nicht erhärten, dürfte der Mann wahrscheinlich an der Klinik bleiben. Der Charité-Vorstand hatte dem Mitarbeiter zwar gekündigt, der Personalrat widersprach dem jedoch. Weil die Charité eine landeseigene Klinik ist, gilt das Berliner Personalvertretungsgesetz, wonach in solchen Streitfällen die Einigungsstelle des Senats entscheidet: Ihr zufolge gebe es keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Mann die Patientin tatsächlich missbraucht habe. Ob und wo der Pfleger künftig in der Klinik arbeiten wird, ließ Einhäupl offen. Man wolle die neuen Ermittlungen abwarten, noch sei der Mann suspendiert.

Unabhängig von diesem Fall will die Charité den Schutz von Kindern und Jugendlichen verbessern, etwa durch Schulungen und klare Verhaltensregeln für die Mitarbeiter. Aus einer „Kultur des Hinsehens“, solle eine „Kultur des Handelns“ werden, sagte Zypries. Dazu gehört das Anschaffen eines Computerprogramms, durch das Verdachtsfälle anonym gemeldet und mit anderen Hinweisen abgeglichen werden können. Die Software werde bereits vom Landeskriminalamt Niedersachsen eingesetzt, sagte Zypries.

Damit Missbrauchsvorwürfe künftig sofort als Dringlichkeitssache behandeln werden, schlägt die Kommission vor, sie in die Liste von Krisenfällen aufzunehmen: In dieser Liste für die Charité-Leitung und den Senat ist festgehalten, was nach Terroranschlägen, bei Seuchen oder Naturkatastrophen zu tun sei. Zudem will die Klinik ein Taschenheftchen erstellen lassen, in dem Verhaltensregeln und Notfallhilfen festgehalten sind. Das Heft könne jeder Mitarbeiter bei sich führen. Die Charité reorganisiert außerdem ihre Kommunikationsabteilung. Und die Charité verlangt, wie schon berichtet, inzwischen ein erweitertes Führungszeugnis von Mitarbeitern im Kinder- und Jugendbereich. Bislang war ein einfaches Führungszeugnis ausreichend, in dem nur Verfahren festgehalten werden, wenn der Betroffene danach zu mindestens 90 Tagessätzen Geldstrafe oder mehr als drei Monaten Haft verurteilt wurde.

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