zum Hauptinhalt
V.l.n.r.: Antje Backhaus, Oliver Schruoffeneger, Robert Ide, Darla Nickel und Klaus Wichert.

© Alexander Kloß

Berlin, Kopenhagen, Marseille: Fachleute diskutieren über Berlins Klimazukunft in der Urania

Berlin war einst Vorreiter in Sachen Klimaanpassung, doch jetzt hinkt die Stadt hinterher. In der Urania diskutierten Experten, was nun geschehen muss.

Die Reihen waren gut gefüllt, als der Tagesspiegel und die Berliner Architektenkammer gemeinsam mit dem Ausrichter am Donnerstagabend in die Urania einluden. Das Interesse war groß, denn trocken war das Thema nur in den ersten Minuten. Landschaftsarchitekt Eike Richter führte die Zuschauer mit Bildern des vergangenen Berliner Hitzesommers ein, als nicht nur Tempelhofer Feld und Hasenheide brach lagen. Zum einen sei es eben jene Dürre, die der Stadt zu schaffen mache, zum anderen aber auch das genaue Gegenteil: der plötzlich eintretende Starkregen.

„Zwei Seiten einer extremen Medaille“ nennt Richter das. Um beiden habhaft zu werden, brauche es Klimaanpassung für die Stadt, und zwar jetzt, so das Eröffnungsplädoyer.

Durch den weiteren Abend führte Tagesspiegel-Autor und Moderator Robert Ide, der vier Expert:innen in den Bereichen Stadtentwicklung und Umwelt um sich sammelte. Seine Auftaktfrage gebührte Darla Nickel, der Leiterin der Berliner Regenwasseragentur: „Was machen Sie, wenn das Wasser knapp wird?“

Die Antwort folgte ebenso pointiert: „Regenwasserbewirtschaftung hört sich wahnsinnig kompliziert an, aber eigentlich geht es nur darum, dass Sie das Rohr ins Beet oder auf die Wiese umleiten, um das Wasser wieder seinem natürlichen Kreislauf zuzuführen.“ Sie versuche zu vermitteln, wie toll das eigentlich sei und welche riesige Chance daran für uns liege, führt Nickel weiter aus. „Regen wird hip, wer hätte das gedacht?“, resümierte Ide.

Klaus Wichert vertrat als Abteilungsleiter die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz die Sicht der Berliner Verwaltung. Auf die Frage, mit welchen Regionen er das zukünftige Berlin klimatisch vergleiche, setzte er mit dem südfranzösischen Marseille an. Wichert betonte den Wandel, der sich in der Debatte um Klimamaßnahmen in den letzten zwei Jahrzehnten vollzogen habe. Während man im Hitzesommer 2003 noch über die Notwendigkeit von Klimaanpassung diskutiert hätte, sei man heute schon ein Stück weiter. „Es ist nur noch die Frage, wann der Klimawandel kommt – und mit welcher Härte.“

42 Euro pro Jahr und Baum

Für Oliver Schruoffeneger als Bezirksstadtrat für Straßen und Grünflächen in Charlottenburg-Wilmersdorf speist sich die Härte seines Amtes aus fehlenden Mitteln. Zwar habe man mit dem letzten Haushalt erstmals ein Budget für Grünflächen erhalten, doch läge dieses mit 42 Euro pro Jahr und Baum und sechs Cent pro Quadratmeter Fläche deutlich zu niedrig.

Das Budget reicht gerade mal, um den Müll aufzuheben.

Oliver Schruoffeneger, Bezirksstadtrat für Straßen und Grünflächen

„Das reicht gerade mal, um den Müll aufzuheben“, klagte Schruoffeneger. Außerdem habe man das Grünflächenamt von 600 auf 200 Mitarbeiter heruntergefahren. Generell sei man zwar auf dem Weg der Besserung, „aber natürlich holt man 20 Jahre Vernachlässigung nicht in zwei Jahren auf.“ Auf die Nachfrage, warum etwa die Verkehrswende in anderen Bezirken schneller vorangehe als in anderen Bezirken, verwies Schrouffeneger auf bundesrechtliche Bauverordnungen und klagefreudige Anwohner:innen, die zum Teil gegen jeden Poller vor Gericht ziehen würden.

Das Expertenquartett vervollständigte Antje Backhaus, Landschaftsarchitektin in der Gruppe F. Als Ide sie fragte, wie man Stadtplanung ökologisch durchdacht gestalten könne, teilt sie ihren Erfahrungsschatz aus dem Ausland. „In Kopenhagen hat sich die Politik getraut und Autofahren sehr teuer gemacht. Dazu hat sie den Rad- und Nahverkehr ausgebaut.“ Dort spiele vieles multifunktional ineinander. „Aber das müssen wir wollen. Da könnten wir an der ein oder anderen Stelle mutiger sein.“

Wir haben kein Umsetzungsproblem, sondern ein Umsetzungsgeschwindigkeitsproblem.

Darla Nickel über die Berliner Experimentierfreude

Von Dänemark sichtlich angetan zeigte sich auch Wichert, der das Land als Innovator in Sachen Verkehrswende lobte. „Dort gibt es Parkanlagen, die unter Wasser gesetzt werden können. Diese Experimentierfreudigkeit ist bei uns undenkbar.“ Hier widerspricht Nickel jedoch vehement, denn in Berlin gäbe es „so viel Experimentierfreude“, dass es die Leute überfordere.

„Wir haben auch kein Umsetzungsproblem, sondern ein Umsetzungsgeschwindigkeitsproblem“, findet die Regenwasserexpertin. „Und ein Problem bei der Darstellung unserer Erfolge.“ Zwischen diesen beiden Polen positionierte sich Backhaus, die findet, dass Berlin einfach die Klimawende in den vergangenen Jahren verschlafen habe und zehn Jahre spät dran sein. „Aber vielleicht sind wir ein Spätstarter und schaffen das!“

Die gibt es dann zwar nicht, aber es wirkt!

Antje Backhaus über dampfende Regenwälder in Kopenhagen

Nach der Podiumsdiskussion durften auch Zuschauer ihre Fragen loswerden. Während die meisten Redebeiträge in Berliner Manier eher zu Aufforderungen und Verbesserungsvorschlägen wurden, hakte Backhaus bei der Frage ein, wie man die Leute motivieren könne, selbst bei Projekten aktiv zu werden: „Ich komme wieder auf meine dänischen Kollegen. Da wirbt man mit dampfenden Regenwäldern. Die gibt es dann zwar nicht, aber es wirkt! Es braucht auch immer gute Bilder.“

Der Abend endete so, wie er begann: mit einem Schlussplädoyer. Auf Robert Ides Abschlussfrage, wie es denn 2030 in Berlin aussehen werde, fand Darla Nickel die schönste Antwort. Die Achillesferse der grünen Stadt sei, dass sie nach einem Klimaanbau womöglich viel mehr Grünflächen hätte, die man pflegen müsse. Deshalb wünsche sie Herrn Schruoffenegers Amt wieder 600 statt 200 Mitarbeiter. „Mein Plädoyer an die Politik: Machen sie sich Gedanken über diese Grünflächen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false